Brüderschaften

[87] Brüderschaften, in Norddeutschland Calandsgilden, in Österreich Zechen, hiessen im Mittelalter städtische Vereine, die zugleich für das religiöse Bedürfnis, für gesellige Aufgaben und für gegenseitige Hilfeleistung dienten. Sie werden zuerst im 14. Jahrh. nachgewiesen. Ihre Zwecke sind: Religionsübungen, welche zu bestimmten Zeiten in Gemeinschaft begangen wurden, gemeinsame Teilnahme an öffentlichen Prozessionen, Sorge für ein anständiges Begrabnis sowie für die Seelenruhe der verstorbenen Brüder, gottesdienstliche Feier der Anniversarien derselben oder auch eine jährliche Messe für alle, gegenseitige Unterstützung in der Not, namentlich in Krankheiten, geselliges Zusammenleben in den mit Trinkgelagen verbundenen Geboten oder Versammlungen der Brüder. Die Brüder leisteten pekuniäre Beiträge sowie als Strafe für verabsäumte Pflichten Geld, Wein oder Wachs. Jede Brüderschaft schloss sich an eine bestimmte Kirche an, viele verehrten einen besondern Schutzpatron, manche hatten einen besondern Altar oder auch eine besondere Kapelle. Solche Brüderschaften kamen in verschiedenen Ständen vor, es gab eine Brüderschaft des pfälzischen Hofgesindes zu Heidelberg, der fahrenden Schüler, der Pilger, der Aussätzigen. Die verbreitetsten und wirksamsten Brüderschaften sind[87] aber die der Handwerksknechte; dadurch, dass sich diese allmählich durch das Mittel der kirchlichen Genossenschaft zu einem besondern Stande heranbildeten, wurden sie Gesellen, denen alles daran lag, ihre Gesellenehre zu wahren. Der Eintritt in diese Gesellschaften wurde obligatorisch für alle, ihre Statuten unterlagen der Bestätigung des Rates und der Zunft, sie bildeten einen den Meisterverbänden entgegenstehenden Gesellenverband, so zwar, dass mit der Zeit, vorab infolge der Reformation, das kirchliche Element zurücktrat oder ganz verschwand und bloss noch das weltliche Element zurückblieb. Ihre Blüte hatten sowohl die kirchlichen als die nichtkirchlichen Brüderschaften im 15. Jahrh. Mit dem Verfall des Handwerks und des Zunftwesens verfielen auch sie; ihre Rechte gingen allmählich an den Staat über. Der Name der Vorsteher bei der Brüderschaft war meist Büchsenmeister oder Kerzenmeister, bei den spätern Gesellschaften Stubenmeister, Altgeselle, Altknecht, Knappenmeister, Meistergeselle, Meisterknappe, Meisterknecht, Ürtenmeister. Ihre meist zeremoniell abgehaltenen Versammlungen hiessen Gebot, Ladentag, Friedenstag, Umfrage, Eingang, Vierwochengebot, Schenke, Tischgesass, Mittel, später meist Auflage. Diejenigen Handwerker, in denen am häufigsten solche Verbände auftraten, sind die Schneider, Schuhmacher, Gerber, Schmiede, Weber, Bäcker, Müller, Metzger, Kürschner, Maurer und Zimmerleute, Die Verbände der Buchdrucker haben sich bis heute erhalten. Schanz, Zur Geschichte der Deutschen Gesellenverbände. 1877. Kriegk, Deutsches Bürgertum I, 178. Kohl, Alte und neue Zeit, Abschn. 17. Vgl. den Artikel Zunft- und Gildewesen.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 87-88.
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