Bücher

[92] Bücher. Die Form unserer Bücher kommt zuerst bei den Wachstafeln vor, tabulae; das Papier wurde meist gerollt, Pergament gefaltet. Solche Wachstafeln heissen codex; liber bezeichnete ursprünglich wohl nur Rollen. Mehrere Blätter zu einer Lage gefaltet heissen quaternio, ursprünglich eine Lage von 4 Blättern, in den Büchern meist mit Zahlen oder Buchstaben gezählt. Seit dem 14. Jahrh. finden sich die einzelnen Blätter der Lagen und sämtliche Blätter des Buches gezählt. In Bezug auf das Format ist dem hohen Altertum vorzüglich eine breite Quartform eigen, die Seite zu 4 oder 3 Kolumnen. In späterer Zeit, nach dem 6. Jahrh., kommt die Dreiteilung nur noch selten vor. Schon im christlichen Altertum führte die Verehrung für den heiligen Inhalt der zum Gottesdienst bestimmten Bücher zu einer schönen äussern Ausstattung durch die Kunst und frühzeitig gehörte ein kostbar eingebundener Evangeliencodex zum ständigen Schmuck der Altäre. Gleiche Ehre genoss das Missale. Ihren Ursprung hatten diese Einbände in den Elfenbeindistychen, von Magistraten beim Antritte ihres Amtes verschenkt, zwischen welche man beschriebene Pergamentblätter legte. Die Buchdeckel selbst bestehen aus Holz, worauf[92] man die Elfenbeintafeln festnietete. Um die Tafel herum ziehen sich als Umrahmung mit Gold- und Silberblech umzogene Ränder, in welches Edelsteine und Perlen gefasst sind. Jeder Deckel hat stets seinen eigenen Schmuck. In der römischen Zeit hatte man eigene Buchbinder, später besorgte die Geistlichkeit ausser der Schrift auch den Einband. Förmlich gewerbsmässig betrieben zuerst die Brüder des gemeinsamen Lebens die Buchbinderei, in den Städten wurde dieselbe ein bürgerliches Gewerbe. Es giebt auch Büchernamen, vorzüglich für Archivstücke, für welche man keinen Autornamen hatte. Gerichtsbücher heissen rote Bücher; andere heissen libri aurei, liber blancus, liber viridis, gemma preciosa, liber niger, liber crinitus, Bärenhaut, pauper Henricus, nudus Laurentius, die beiden letzten nach den Schreibern. Kostbar eingebundene Bücher hatten zum Schutz ein Hemd, camisia. Einen gewissen Bücherhandel gab es schon im Mittelalter; doch beschränkte er sich auf einzelne gangbare Artikel und zufällig in den Handel gekommene alte Manuskripte. Man pflegte sich die gesuchten Werke zum Abschreiben zu erbitten oder schickte eigene Schreiber zu diesem Zwecke. Durch Pfänder und Bürgschaften sicherte man sich vor Verlust. Leute, die aus dem Bücherabschreiben und Verkaufen ein Gewerbe machten, findet man zwar schon im Beginn des Mittelalters; nach langem Zwischenraum kommen sie wieder an den Universitäten zum Vorschein. Sie vermieteten Bücher zum Abschreiben, nach obrigkeitlicher Taxe, und vermittelten den Bücherverkauf. Trotzdem ist der eigentliche Buchhandel nicht in Universitäten, sondern in andern Städten, vorzüglich in Mailand, Venedig und Florenz aufgekommen, dann in Frankreich (Paris), England und den Niederlanden. In Deutschland pflegten die Studenten ihre Bücher mehr als anderswo selbst abzuschreiben, oder sie entlehnten sie aus den Kloster- oder Universitätsbibliotheken. Ausserhalb des geistlichen Standes kam erst spät ein Lesebedürfnis auf. Frauen besassen ihren in der Regel in einem Kloster geschriebenen Psalter. Um Andachtsbücher und Schulbücher machten sich vornehmlich die Brüder vom gemeinsamen Leben verdient. An den Höfen schrieb etwa der Hofkaplan, in den Städten der Schulmeister und der Stadtschreiber Bücher ab, auch Pirmenter (Pergamentmacher) verkauften und kauften Bücher auf der Messe. Buden, in denen man Schreibmaterialien und Bücher verkaufte, pflegten an die Wand der Kirche gestellt zu werden. Wattenbach, Schriftwesen des Mittelalters.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 92-93.
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