Harnisch

Fig. 73. Aus dem Hortulus Deliciarum.
Fig. 73. Aus dem Hortulus Deliciarum.
Fig. 74. Grabsteine aus dem Ende des 14. Jahrhunderts.
Fig. 74. Grabsteine aus dem Ende des 14. Jahrhunderts.

[363] Harnisch. Das Wort Harnisch, mhd. der und das harnas, harnasch, harnisch, hernisch, stammt vom kymrischen »haearn«, welches soviel wie Eisen bedeutete; hernez, harnez = Eisenzeug. Im weitesten Sinne wird darunter die gesamte Ausrüstung eines Kriegers verstanden, im engeren Sinne die Bekleidung des Rumpfes und der Glieder, also mit Ausschluss des Schwertes, Schildes und Helms; im engsten Sinne bedeutet Harnisch das aus Ringen bestehende Panzerhemd, also das Brustkleid, das durch die Jahrhunderte eine merkwürdige Wandlung zu bestehen hatte und endlich durch die Handfeuerwaffe und durch die neuere Taktik verdrängt wurde.

Die ersten sogenannten Schutzwaffen waren Schilde aus Baumrinde, Flechtwerk und Holz, daneben Tierfelle, Filzdecken und Filztücher, und endlich werden, allerdings nicht mehr in der Urzeit, Steppwämser von Leinen erwähnt. Und während verschiedene keltische Stämme in barbarischem Mut und Selbstgefühl ihren Feinden die nackten Leiber entgegenstellten, trugen nach Tacitus andere schon goldgeschmückte Panzerhemden, ja hüllten sich ganz in Erz. Es wird das aber unzweifelhaft nicht auf ganze Stämme Bezug haben, sondern nur auf deren Häuptlinge, denn nach zuverlässigen Berichten und nach den aufgefunden Moorleichen zu schliessen, gingen die alten Germanen bis zur erfolgten Mannbarkeit völlig nackt und trugen als Männer ein mantelartiges Gewand (sagum) ohne Naht und ohne Knöpfe von gewalktem Stoffe mit Hals- und Ärmellöchern. Auf bestmöglichen Schutz gegen feindliche Pfeile, Speere und Schwerter musste aber selbstverständlich gehalten werden, und so kam denn neben Schild und Helm bald auch die Handberge (handberc) auf, als vollgegossener Handring zum Schutze des Handgelenkes, oder als Rüstärmel, der entweder aus einer gebogenen Erzschiene oder aus einer federnden Spirale bestand. Vom Erfolge dieser ersten Schutzmittel zu weiteren Versuchen angespornt, suchte man nun namentlich die Brust besser zu decken und erreichte dies dadurch, dass man statt des gewöhnlichen Gewandes oder unter dasselbe eine lederne »lorica« anzog. Die Vornehmsten begannen dieselbe hin und wieder mit Schuppen von Erz oder mit Ringen zu besetzen, und endlich verband man die Ringe zu selbständigem Geflechte und schuf so die Brünne (got. brunjo, ahd. pruniâ, angels. bryne, altnord. brunja, altslav. brynijd). Für dieselbe Schutzwaffe wird auch der Ausdruck Ringe (hring) gebraucht, westgot. zaba oder zava, und endlich ist der Bezeichnung sar, sarwerc, ahd. saro, sarawi, gasarwi, gasarwa zu gedenken, was eigentlich Rüstung heisst, aber der Brünne gleichkommen mag, Hildebrandslied: »iro saro rihtun« = sie warfen ihre Panzerhemden über; »sarkes bar« = ohne Panzer. Ursprünglich scheint die Brünne aus hörnernen Schuppen hergestellt worden zu sein. Die Erinnerung daran hat sich bei den älteren Dichtern insofern erhalten, als die absonderlichen Rüstungen ihrer Riesen und Helden sehr oft als hurnîn geschildert werden. Des Heiden Ilmars Leute z.B. waren mit »horne beslozzen«, die Völker des Königs von Tarmache fuorten hurníne gar, gleich wie die Christen îsen und gewant. Schon im Beowulfliede kommt jedoch Brünne durchgängig als Ringpanzer und Kettengeflecht vor und dies bezeugt sehr deutlich, dass auch bei den nordischen Stämmen, welche[363] in keiner unmittelbaren Beziehung zu den Asiaten standen, der Gebrauch dieser Waffentracht uralt ist. Auch Hildebrands- und Waltharilied kennen die Brünne. Dass diese in der Regel aus Ringen geschmiedet war, so dass Blut und Schweiss durch sie zu dringen vermochten, zeigen viele Stellen bei den Dichtern. Lanz. 1996, daz bluot im durch die ringe ran ûz der tiefen wunden. Auch Hagen sind die Ringe von bluote naz. Die Ringpanzer waren verhältnismässig leicht, liessen die Luft durch und schlossen sich fügsam dem Körper an, gestatteten daher ungehemmte Bewegung und konnten zudem mit geringer Mühe an und wieder abgelegt werden. Im Gegensatz zu dem Plattenpanzer, der angeschnallt werden musste und zwar mit Hilfe anderer, zog man die Ringpanzer an wie ein Kleidungsstück, daher der Ausdruck: si schuten sich ûz dem gewaffen nâch grôzer müede, oder si sluffen in wîges gewâte und abe schute er sîn îsengewant. Die Ringe liessen sich zudem ineinanderschieben, sodass die abgelegte Brünne bequem in einem Waffensack (sârbalc) oder in einem Schilde nachgetragen werden konnte. Brünnen, die wie ein Hemd übergeworfen werden konnten und dann bis an die Schenkel herabreichten, bezeichnet bereits das Ruolandes liet (um 1180) als Röcke: di von Clamerse mit ir guoten îsern rouchen. Kün. Ruoth. do schluffen die recken in stalîne roche. Diesem entspricht der lateinische Ausdruck für Stahlrock: tunica ahena. Walther trug eine dreidrähtige tunica; übrigens zog ein Recke je nach Bedürfnis auch mehrere Brünnen – wenigstens zwei – übereinander an.

Wie fest aber diese Ringe auch sein mochten, die Sänger wissen viel zu berichten von vortrefflich gezielten Speerwürfen und ritterlichen Schwertschlägen und Stichen: do sniet im durch die ringe der küene Wolfhart (G. Rosengarten). Und weiter:


Die ringe begunden rîsen in der rôsen schîn,

Sie lâgent dô geströwet, als sie werint gesêt dar în.


Man hat deshalb bereits sehr frühe begonnen, Stellen, die dem feindlichen Angriff besonders ausgesetzt sind, noch mit einem weiteren Schutze, nämlich mit aufgenieteten Platten zu versehen, mit sog. Buckeln, die oft in schönen Ornamenten die Panzer schmücken, wie die in Kegelgräbern und Torfmooren aufgefundenen, meist gut erhaltenen Exemplare es heute noch weisen. Ja, sogar eigentliche Plattenharnische treten – wenn auch in rohen Formen – bereits im 4. Jahrhundert, auf und zwar als ein deutsches Produkt. Begreiflich ist, dass vom Schicksal besonders begünstigte Ritter bald in den Ruf kamen, als trügen sie gefeite Brünnen, auf denen kein Eisen zu haften im stande sei. Ja, nordische Sagen schreiben die gleiche Eigenschaft schon blossen Seidenhemden zu, die in besonderer, zauberhafter Weise gewebt worden. Nicht nur ist der Träger eines solchen für jede Klinge unverwundbar; auch Feuer beschädigt ihn nicht; von Kälte leidet er weder zu Lande, noch zur See; kein Schwimmen ermattet, kein Hunger quält ihn. Es sind dies die »Nothemden« des deutschen Mittelalters.

Die alte Ringbrünne war noch in der Frankenzeit offenbar nur im Besitze hervorragender und wohlhabender Krieger. Die geringeren Leute, auch solche der Reiterei, begnügten sich mit minder kostbaren Surrogaten und zwar noch auf lange Zeit hinaus hauptsächlich mit dem Schuppenwams von Leder mit aufgenähten, übereinander fallenden, metallenen Schuppen. Auch treten schon Beinschienen (beinbergae) vereinzelt auf, vornehmlich bei Rittern; doch beschützten[364] sie mehr nur das rechte Bein, weil dieses beim Ausfall nicht so unmittelbar vom Schilde gedeckt war. Kaiser Karl hielt bekanntlich sehr auf derbe, schützende Kleidung bei seinen Kriegsleuten; feiner, teurer Flitter war ihm zuwider. Gepanzerte Pferde werden ebenfalls schon im 9. Jahrhundert genannt, und es steht ausser Zweifel, dass auch hier die Schuppenpanzer gemeint sind.

Die Normannen Wilhelm des Eroberers waren, nach der berühmten Tapete von Bayeux zu schliessen, in einen bis über die Kniee reichenden, bequemen Waffenrock von Leder oder Steppleinwand gekleidet, der durchweg mit eisernen Ringen besetzt war. Die alte Brünne gedeckte nur den Rumpf und Oberarm, liess aber namentlich den Hals und Nacken frei, weswegen die nächste Folgezeit bestrebt war, sie in dieser Richtung zu verbessern. So entstand die Kutte oder Halsberge (halsberc), agls. healsberg, altfrz. hauber, haberc, hauberc, welche namentlich bei den französischen Rittern des 10. und 11. Jahrhunderts allgemein in Gebrauch kam. Anfänglich nur bis an die Hüfte reichend, verlängerte sie sich zusehends, bis sie zu den Mittelgelenken der Arme und Beine reichte. Am Vorderarm kommt das gesteppte Ärmelwams zum Vorschein, an dem Unterschenkel das Kreuzgeflecht der Lederriemen des Bundschuhes, deren Verschlingung Schienbein und Wade schützen. Nur die Führer, z.B. Wilhelm selbst, haben auch die Beine mit Panzerhosen bekleidet. Die Öffnung zum Anziehen des »beringten« Kampfgewandes befindet sich auf der Brust und ist hier mit einem ebenfalls beringten, viereckigen, beweglichen Brustlatze zugedeckt. Die Normannenreiter trugen die Halsberge nur über dem Wamse; in der Folgezeit aber, als die Bewaffnung immer schwerer wurde, kam es auch vor, dass die Halsberge über der Brünne getragen wurde. Andere Forscher nehmen das Umgekehrte an und verstehen dann unter der Halsberge nur eine metallene Wehr für Hals, Nacken und Brust. Über Brünne und Halsberge trug der Ritter wohl auch den Waffenrock aus Seide oder anderen köstlichen Stoffen.


Sie begunden snîden

Den wâpenroc von sîden

Und den halsberc darunde.


Sollte der Mann in der Halsberge sich bequem bewegen können, so musste sie sich in der Nähe der Hüften erweitern, um den Schenkeln den beim Reiten nötigen Raum zu gewähren. Dies wurde dadurch erzielt, dass sich entweder im unteren Teile slitze befanden, sodass die Kutte in mehrere Schösse verlief, oder dass sie unten mit keilförmigen Zwickeln, d.h. mit gêren versehen war, wie deren auch an Wappenröcken und der Civilkleidung vorkommen. Ulrich von Liechtenstein 451, 2: in seinem Wappenrock waren zwelf gêren gesniten durch sîne wîte.

Ein weiterer Schritt war dann die Ausdehnung der gegitterten oder Maschenrüstung auch über die Arme und Beine, und zwar scheint diese Tracht zuerst in Deutschland gebräuchlich geworden zu sein. Eine der frühesten Darstellungen dieser Bewaffnung findet sich in Kaiser Heinrich II. Evangeliarium, wo der also gewappnete Ritter über der Schulter einen normannischen Schild und auf dem Kopfe einen niedrigen Glockenhelm mit Nasendeckel trägt. Die Rechte führt einen Knebelspiess, die Linke ist beschäftigt, eine Kurzwaffe (vielleicht ein skramasax) aus der Scheide zu ziehen; darunter hängt das eigentliche Schwert. Ähnliche Rüstungen begegnen uns auf nicht wenigen, namentlich deutschen Denkmälern des 12. Jahrhunderts.[365] Dazu Fig. 73 aus dem Hortulus Deliciarum der Herrad von Landsberg. Zugleich zeigt sich eine Weiterentwickelung, indem die Schösse des Waffenrockes meist zu enganliegenden Schenkelhosen ausgebildet werden, welche bis zum Knie reichen. Am vollkommensten gestaltet sich diese Rüstungsweise am Rheine. Hier erschienen zu Ende des 12. Jahrhunderts die Ritter fest eingekleidet in die Ringe, die also nicht nur zu einem blossen Überwurfe, sondern zu enganliegenden Wämsern mit Oberschenkelhosen ausgestaltet sind. Daran schliesst sich knieabwärts ein ebenfalls aus Ringen gebildeter Sehienenbeinschutz. Die Hosen waren gleich unseren modernen entweder geschlossen, so dass der Fuss von oben hineinfuhr, d.h. sie wurden »angeschuht« oder »angeschüttet«, oder sie waren offen und wurden dann an der hinteren Seite des Beines mit Riemen zusammengebunden.

Wigal. 6116:


Die frouwen im dô bundert

Die îsenhosen an diu bein.


Oder P. 157, 7:


Zwuo liehte hosen îserîn

Schuohterm über diu ribbalîn.


Anders in Frankreich und in Spanien. Hier ist die Bepanzerung der Beine offenbar später üblich geworden, als auf deutschem Boden. Zwar einige Siegelabdrücke vornehmer Krieger zeigen den Beinpanzer, wenn gleich nur als Schuppen-, nicht als Kettengewand; aber auf den meisten Darstellungen[366] fehlt er; ja sogar die in Deutschland übliche Bepanzerung von Unterarm und Faust mangelt noch. Unter dem Ellenbogen tritt das vom 12. bis 14. Jahrhundert allgemein getragene Ärmelwams (franz. wambison, gambison) deutlich hervor. Dieses Wams bestand aus Leder oder Tuch, war mit Watte oder Werg gefüttert und meist mit Seide gesteppt.

Gegen Pfeile, Bolzen, Schwerthiebe, meist auch gegen Lanzenstösse gewährten die Maschenpanzer hinlänglich Schutz, nicht aber gegen die Schlagwaffen, Keule, Axt, Schlaggeissel, Morgenstern, Streitaxt; daher kamen letztere stark in Aufnahme und der Schwerpunkt der kriegerischen Aktion wurde mehr in das Fussvolk verlegt, während er bis anhin in der Reiterei zu suchen war. Was war natürlicher, als dass man bestrebt war, auch die Schutzwaffen in entsprechender Weise zu vervollkommnen? Die nach dem helmbedeckten Kopf geführten Streiche fielen nämlich meist abprallend auf die Schulter und verursachten durch deren Bruch Kampfunfähigkeit. Deswegen brachte man an besagter Stelle die sogenannten Schulterflügel an, eiserne Platten, welche das Eisen des Helms gewissermassen verlängerten und zeltartig nach aussen abschrägten. Diese Ailettes sind in der Geschichte der Bewaffnung von grosser Wichtigkeit, weil sie die ersten Eisenplatten sind, welche auf dem Kettenpanzer erscheinen.

Wie die Schultern, so suchte man auch Hals, Arme, Schenkel und namentlich die Kniee besser zu decken, indem man Platten und Schienen auf die betreffenden Stellen des Ringpanzers befestigte und zwar durch Aufnieten oder Nageln. Anfänglich verwendete man hierfür Leder, das durch Sieden eigens zubereitet und durch metallene Buckel und Bänder verstärkt wurde. Diese Veränderungen beginnen bereits gegen Ende des 12. Jahrhunderts und nehmen in der Folgezeit immer zu. Wo die Ringe genagelt erscheinen, da gehören sie mindestens schon dem Ende des 12. Jahrhunderts an.

Die Verstärkung der Rüstung durch Platten kommt zunächst auf deutschem Boden zur Geltung. Das deutsche Manuskript von Tristan und Isolde, welches zu Berlin aufbewahrt wird und der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts angehört, zeigt bereits Ritter in vollständigen Plattenrüstungen mit geschientem Arm- und Beinzeug, nebst geschienten Eisenschuhen. In Frankreich war der Fortschritt der Bewaffnung langsamer. Die Ringbrünne kommt erst jetzt zu ihrer höchsten Vollendung, immerhin mit Anfängen der Schienenrüstung. Bemerkenswert ist, dass da, wo die Verstärkung der Rüstung durch Schienen eintritt, im übrigen oft von einer Ausstattung mit dem eigentlichen Maschenpanzer abgesehen, vielmehr zu dem älteren, billigeren Schutzgewande des beketteten oder beschildeten Kampfgewandes zurückgegriffen wird.

Der Handschuh war ursprünglich mit dem Panzer verbunden; wer ihn ausziehen wollte, der musste zugleich den ganzen Panzer ablegen. Das war um so unbequemer, als mit Ausnahme des Daumens die Finger gar nicht gesondert waren; daher machte man später einen Einschnitt in das Maschengewebe, um mit der Hand durchlangen zu können, und liess den vorderen Teil der Maschen bis zum Augenblicke des Gebrauchs hinter der Hand herabhangen. Immerhin aber blieb, auch wenn das Kettenhemd über die Faust gezogen worden, der Handschutz ungenügend, und daher verfertigte man seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts Handschuhe von starkem Hirschleder mit gehämmerten Eisenplatten auf dem[367] Handrücken und auf dem unteren Fingergelenke des Daumens. In gleicher Weise gehörte zur Rüstung der Sporn, der unmittelbar mit der Maschenbepanzerung des Fusses zusammenhing. (Siehe Sporen.)

Anfangs des 14. Jahrhunderts bestand die ritterliche Rüstung aus Wams, Ringbrünne und Eisenhosen, welch letztere in oben angeführter Weise durch Platten verstärkt waren, dem Waffenhemde oder Waffenrock von Tuch und der Halsberge, auch Schulterkragen oder Maschenkapuze genannt, welche meist mit der kleinen Beckenhaube verbunden war. Das Wams (Gambison) war eine enganliegende Ärmeljacke mit daran befestigten Hosen und Strümpfen. Es bestand aus Leinwand oder Leder. Vor der Brust, vor dem Gemächte und den Kniescheiben war es beringt. Siehe Fig. 74 Grabstein vom Ende des 14. Jahrhunderts aus Weiss, Kostüm-Kunde. Die inzwischen erfundene Kunst[368] des Drahtziehens ermöglichte es jedem Krieger, sich eine Ringbrünne (Panzerhemd) zu verschaffen. Schulterplatten (épolières) und Armschienen (armînen, brâzel oder, wenn sie nur die Aussenseite des Armes decken, demibrassards genannt), sowie Ellenbogenkacheln und Kniebuckel fehlen nirgends mehr, werden gegenteils immer grösser und nähern sich durch weitere Mittelglieder mehr und mehr, bis die fortschreitende Kunst der Schmiede einen Plattenpanzer daraus entstehen lässt, der Rücken- und Brustplatte (Kürass), Bauchplatte (Bauchpanzer), Halsberge und Hängeplatten für die Oberschenkel in sich fasst. Auch der Unterschenkel erhält seine Wadenplatte und zugleich verlängert man die vorderen Unterschenkelschienen durch mehrere aneinandergefügte Plättchen und entwickelt so zusammenhängende Schienenschuhe (îserkolzen, kolzenschuoh), die bis zu Ende des 15. Jahrh. die Form langer und spitzer Schnabelschuhe haben. Der Ritter sass ohne Eisenschnabel auf's Pferd; der Knappe »hackte ihm dann den Stachel an«, der gewöhnlich 1/2, bei Grafen oft 1', bei Fürsten sogar 2' lang war. Denkt man sich noch die mit beweglichem Gesichtsschutze versehene Kesselhaube, einen Stechhelm oder Eisenhut hinzu (siehe Helm), so war das liebe Leben eines solchen Ritters unbestritten trefflich geschützt. Und wenn der vollständige Platten- oder Schienenharnisch auch keineswegs eine bequeme Kleidung gewesen sein mag, so hemmte er doch den Gebrauch der Glieder weniger, seit kunstfertige Meister bemüht waren, den treibenden Hammer so geschickt zu führen, dass die Formen der einzelnen Panzerteile dem anatomischen Bau der Gliedmassen möglichst entsprachen.

Die berühmtesten Waffenschmiede Italiens bestanden zu Mailand. War doch diese eine Stadt nach der Schlacht bei Macalon (1427) im Stande, binnen wenigen Tagen Waffen und Rüstungen für 4000 Reiter und 2000 Fussknechte zu liefern. Die sarwürker oder sarwetter (Wirker und Weber von Kettenpanzern) sowie die platenaere, thorifex, Helmschmiede, Harnischmacher, Sporer und Schlosser genossen grosse Privilegien; so waren sie in Spandau von allen Abgaben frei. Die deutschen Waffenschmiede (Augsburg, Nürnberg) genossen einen Weltruf. San Marte, Waffenkunde und Jähns, Geschichte des Kriegswesens.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 363-369.
Lizenz:
Faksimiles:
363 | 364 | 365 | 366 | 367 | 368 | 369
Kategorien:

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Herzog Theodor von Gothland. Eine Tragödie in fünf Akten

Herzog Theodor von Gothland. Eine Tragödie in fünf Akten

Den Bruderstreit der Herzöge von Gothland weiß der afrikanische Anführer der finnischen Armee intrigant auszunutzen und stürzt Gothland in ein blutrünstiges, grausam detailreich geschildertes Massaker. Grabbe besucht noch das Gymnasium als er die Arbeit an der fiktiven, historisierenden Tragödie aufnimmt. Die Uraufführung erlebt der Autor nicht, sie findet erst 65 Jahre nach seinem Tode statt.

244 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon