Schwert

[915] Schwert. Wie aus der Römerzeit, so sind aus den merovingischen Funden längere und kürzere, ein- und zweischneidige Schwerter zu Hieb und Stich zu unterscheiden, die einen mit langer zweischneidiger Klinge und kurzem Griff, die andern mit kurzer einschneidiger Klinge und langem Griff.

Das lange Schwert ist nach griechischen und römischen Berichten die Waffe der Völker des Westens und Nordens. Es ist oft von der ungefügigsten Länge und für den Stoss zu wenig widerstandsfähig, denn es biegt sich. In den merovingischen Gräbern trifft man die spata selten, da sie als ein köstliches Erbstück hoch geschätzt wurde. Sie hatte eine Länge von 21/2 bis 31/2 Fuss bei einer Breite von 2 bis 3 Zollen.

Das kurze Schwert (scramasaxus oder semispata) ist einschneidig, schmal, messerartig, bis 2 Fuss lang und 11/2 Zoll breit mit 4 Linien breitem Rücken, dem heutigen Weidmesser oder Hirschfänger nicht unähnlich. Das Langschwert wurde an einem Gürtel an der linken Seite getragen, das Halbschwert (Sax) an der rechten, in der Regel mit Ketten am Ringhemd befestigt.

Mit Beginn der eigentlichen Ritterzeit verschwindet die Führung zwiefacher Schwerter und an die Stelle des Sachs tritt öfters nur ein Dolch oder Messer, Gleichwohl erhielt sich der Ausdruck sahs noch längere Zeit bei den ältern Dichtern, bis er sich bei den jüngern auf die Bedeutung Messer beschränkt. Dichter übertreiben die Struktur und Grösse der Schwerter oft und lassen sie auf die wunderlichste Art entstehen. Glaublich aber ist, dass ein starker Arm, verbunden mit einer aufs höchste gesteigerten Kampfwut manchen »Schwabenstreich« ausgeführt, der Erstaunen erregte und besungen zu werden verdiente. Die Haupttugenden des Schwertes sind Schärfe, Härte und Stärke. Die Schneide heisst ecke, egge; die Blutrinne durch die Mitte heisst valz; der Griff heisst ahd. helza, ags, helt, hielt, altn. hialt, mhd. helze, gehilze, helza. Er ist bald länger, bald kürzer und oft mit Gold, Perlen und Edelsteinen geschmückt. Beim Beginn des Griffes verwandelt sich die Klinge in einen festen, starken Stab, der in einem Knopf von Eisen oder andern Metallen sich schliesst, während der Stab oft mit Leder oder Leinwand überzogen ist. Die scramasaxe haben statt des Knopfes oft eine höchst einfache Befestigung der Klinge an dem Griff, indem die Angel einfach durch die Holzhülse geschoben und umgenietet wird. Parierstangen (zum Schutz der Hand) finden sich weder am Knauf der spata, noch des scramasax, wohl aber am Ritterschwert, und zwar stehen sie senkrecht zum Griff und bilden mit diesem ein Kreuz, oder sie sind etwas gegen die Schneide gebogen, oft auch s förmig. Die Scheide war schon früher ein notwendiges Zubehör. Sie bestand aus Holz mit Leinen- oder Lederüberzug. Metallene Scheiden waren durch das ganze Mittelalter sehr selten. Die Schwertfessel (swertfezzel) ist der um die Hüften geschlungene Gürtel, an welchem das Schwert getragen wird, das eigentliche cingulum militare, dessen Umgürtung beim Ritterschlag feierlich geschah. Es war von Leder,[915] doch mit Sammet, Borten und Edelsteinen oft reich verziert.

Der Pûsch (busch) scheint ein hölzernes Schwert oder ein Stock gewesen zu sein, dessen sich die Jugend bei den Fechtübungen (Steckenspiele) bediente.

Mannigfach ist die symbolische Bedeutung des Schwertes. Es ist der unzertrennliche Begleiter der Person und hat seinen eigenen Namen und seine eigene Geschichte; als Familienerbstück geht es von Geschlecht zu Geschlecht. In nordischen Liedern ist es eine Schlange, die zischend unter die Feinde fährt, Die Schwertsage ist in erster Bedeutung der Weihe- und Segensspruch, welcher bei Umgürtung des Schwertes über den jungen Ritter ausgesprochen wird vom Priester oder Fürsten. In zweiter Bedeutung ist es der auf der Klinge oder am Griff eingegrabene, oder in Goldschrift angebrachte Segensspruch, wodurch man glaubte, dem Schwert besonders mystische Kräfte zu verleihen, oder durch den der Führer desselben an seine Pflichten gemahnt werden sollte. In dritter Bedeutung ist die Schwertsage die Beschwörungsformel, welche den Besprochenen gegen Verletzung durch das Schwert sicher stellen soll. Beim Kreuz (das Griff und Parierstange bildeten) wurde geschworen und gebetet. Wolfdietrich legt das Schwert zwischen sich und die zauberische Heidentochter ins Bette, dass sie ihn nicht verführen kann: wer gumpt und ruet niete, der selb verschneidet sich. – Wer sich dem Sieger ergab, der ging entweder ohne Schwert auf denselben zu oder er fasste es bei der Spitze und reichte demselben den Knauf. Bei den Goten scheint Adoption durch das Schwert stattgefunden zu haben. Dasselbe war auch Symbol der Gerichtsbarkeit, zumal der peinlichen Gewalt über Leben und Tod.

Nach San-Marte, Waffenkunde.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 915-916.
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