Bayle [2]

[444] Bayle (spr. Bähl), Pierre, skeptischer Philosoph, der Sohn reformirter Eltern zu Carlat, in der Grafschaft Foix, geb. 4647, Professor der Philosophie an her reformirten Akademie zu Sedan, später zu Rotterdam. Seine skeptische Natur hatte B. schon als Jüngling bewiesen, indem er zu Toulouse kath. und nach 48 Monaten wieder reformirt wurde, eigentlich aber hier allen positiven Glauben abwarf. Seine Zweifel und Verneinungen trug B. nicht geradezu vor, sondern legte sie in Schriften gegen den Aberglauben, z.B. die Furcht vor den Kometen oder für allgemeine Duldung nieder; sein Ruf verbreitete sich über die Gränzen Hollands und B. fand bald viele Anhänger und Schüler. In Streit mit seinen Glaubensgenossen gerathen und als Agent Frankreichs verdächtig, wurde er 1693 seiner Professur entsetzt. Er schrieb sodann sein Hauptwerk: »Dictionnaire historique et critique« 2 Bde., 1696, das nachher viele Auflagen erlebte, die neueste in 16 Bdn., Paris 1820. Durch dieses ist B. für die Entwicklung der europ. Bildung von folgenreicher Bedeutung geworden: er ist der eigentliche Vater derjenigen histor. Kritik, welche auf einzelnen Widersprüchen oder Irrthümern der Erzähler fußend, die Facten selber beseitigt oder als unerwiesen hinstellt; in der Philosophie bewies er, daß sie gerade die wichtigsten Ideen, z.B. das Dasein Gottes, die Unsterblichkeit des Menschen u. dergl. nie bewiesen habe und es auch nicht könne, und in der christlichen Religion fand er keine Umwandelbarkeit der Lehre, sondern eine allmälige Umbildung durch verschiedene Einflüsse. B. war übrigens ein ernster Charakter und der Frivolität seiner spätern Schüler fremd, im Leben ein moderner stoischer Philosoph; er st. 28. Dec. 1706.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 444.
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