Bestattung der Todten

[514] Bestattung der Todten erscheint bei allen Völkern als eine Pflicht und gibt nach der Weise, wie sie geübt wird, einen Maßstab der Cultur eines Volkes, besonders in religiöser Beziehung. Die meisten Völker übergeben den Leichnam der Erde, bei anderen wird er verbrannt, bei einigen findet sich Begräbniß und Verbrennung. Zu den letzteren gehören die Hindu, Japanesen, die alten Griechen. Römer, Kelten und Germanen; es scheint. daß bei allen diesen Völkern die Verbrennung der Leiche ursprünglich eine Auszeichnung der Vornehmeren gewesen sei. Das Begräbniß findet bei allen nomadischen und wilden Stämmen Asiens, Afrikas, Amerikas u. Australiens statt, als die einfachste und natürlichste Weise den Todten aus dem Kreise der Lebendigen zu entfernen. Die alten Aegypter balsamirten die Leichname ein und verwahrten sie in geschlossenen Felsengräbern, weil nach ihrem Glauben die Seele in keinen Thierleib wandern mußte, so lange ihr alter Wohnplatz unversehrt fortdauerte. Bei den Juden ist das Begraben der Leichen die einzig gesetzliche Art der B. u. liegt den nächsten Blutsverwandten als hl. Pflicht ob; dasselbe ist bei den Mohammedanern der Fall, und auch die Christen begraben ihre Todten. Die bei der B. üblichen Gebräuche entsprechen den Vorstellungen der Völker von Leben und Tod, von der Würde des Menschen, von Tugend und Laster, Lohn und Strafe, Mensch und Gott. Trauergebräuche finden bei allen statt; bei den meisten schließt eine Schmauserei die Feierlichkeit als Aufmunterung an die Lebenden, »die kurze Spanne Zeit« nicht ungenossen zu lassen; sie ist da auch am Platze, wo zuerst die Thaten [514] und Vorzüge des Gestorbenen gepriesen werden u. derselbe den Göttern, höheren Geistern oder wenigstens den Glücklichen in der Unterwelt zugesellt wird, geschehe dies nun durch barbarische oder cultivirte Gesänge, durch griech. oder röm. Lobreden oder durch moderne. Das christkatholische Begräbniß ist eine religiöse Handlung und vereinigt alles in sich, was Glaube, Hoffnung u. Liebe dem Menschenkinde bieten; der Begrabene ist wohl feierlich der Erde übergeben. aber auf seinem Grabhügel steht das Kreuz und er bleibt in der lebendigen Gemeinschaft der Kirche, theilhaftig des heil. Opfers. der Gebete der Gläubigen auf der Erde und der Fürbitte der Seligen im Himmel. Weil der Tod die kirchliche Gemeinschaft nicht aufhebt, so kann auch keiner, der im Leben in dieser Gemeinschaft nicht sein wollte, nach dem Tode derselben angehören, u. darauf gründet sich das kirchliche Gesetz, betreffend das Begräbniß derjenigen, welche im Leben nicht zu der Kirche gehörten oder von ihr abfielen.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 514-515.
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