Christusbilder

[114] Christusbilder. Die Christen der ältesten Kirche hatten keine Bilder von Christus, nur das Kreuz wurde als Erinnerung an den Heiland vielfach gemalt und eingegraben. Erst mit Constantin d. Gr., als das Christenthum siegreich dastand und es weder von dem Judenthume noch dem Heidenthume mehr etwas zu fürchten hatte, als seine Lehre öffentlich verkündigt wurde und darum wie der Cultus nicht mehr durch die Erfindungen seiner Feinde entstellt werden konnte, folgten die Christen dem natürlichen Verlangen, das Andenken an den Heiland durch bildliche Darstellungen zu beleben. War den unterdrückten Christen der Heiland, der wie sie selbst Mißhandlung und schmählichen Tod erlitt, in ihrer Vorstellung ein Mann in Knechtsgestalt, unscheinbar und häßlich, so gestaltete sich bei den siegreichen Christen sein Bild zur idealen Schönheit und wurde häufig aufgestellt, sowohl als Statue wie auch als Gemälde. Aus jener Zeit ist das berühmte Mosaikbild in der lateranensischen Basilika; es zeigt Christum mit einem schönen, ovalen Gesichte, langem Bart und schlichtem über der Stirne gescheiteltem Haare. Um 100–200 Jahre jünger sind 3 Gemälde aus den römischen Katakomben; das im Coemeterio Pontiano ist das edelste, ein bekleidetes Brustbild mit hoher Stirne, gerader Nase, gewölbten Augenbrauen, großen, hellen Augen, mildem Munde, starkem Kinn, langen über der Stirne gescheitelten Haaren, krausem, kurzem, an dem Kinn gespaltenen Barte. Diese Bilder dienten beim Wiederaufleben der Malerei den alten Meistern Ghiotto und Cimabue als Muster, andere Künstler folgten ihrem Beispiele, und so bildete sich eine traditionelle Idealform des Cs., die Rafael und Leonardo da Vinci in höchster Vollendung zeigen.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 114.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: