Christusbilder

[121] Christusbilder, Darstellungen von Christus durch die bildende Kunst. Die frühesten C. fanden sich nach Irenäus bei den Gnostikern, die vorgaben, solche von Pilatus her nach dem Urbild zu besitzen. Wahrscheinlich war das von Kaiser Alexander Severus in dessen Hauskapelle neben Abraham, Orpheus u. a. aufgestellte Christusbild dieser Art, ebenso das bei Eusebios 7,18 erwähnte. Sonst bediente man sich nur des Monogramms vom Namen Christus (s. Christusmonogramm) und der Symbole, wie des Fisches (griech. ΙΧΘΥΣ), der gezeichnet oder geschrieben die Anfangsbuchstaben der Worte Ἰησους Χριτὸς Θεου Υἱὸς Σωτήρ (Jesus Christus, Gottes Sohn, Heiland) enthielt. Obwohl nach Jes. 52,14 sich Justinus Martyr und Tertullian Christus häßlich, Origenes aber laut Psalm 45 schön vorstellten, blieb es anfangs beim Symbol, wozu dann Szenen des Neuen und Alten Testaments kamen, worin Christus, in römischer Form und Haltung, lehrend, Blinde und Gichtbrüchige heilend, den Lazarus erweckend, jugendlich und ohne Versuch eines Porträts oder nach dem Vorbild von Isaak, Moses, Jonas, Daniel dargestellt war. Gemälde und Sarkophage der Katakomben zeigen öfters »den guten Hirten« (s. Tafel »Christliche Altertümer I«, Fig. 1, und Tafel II, Fig. 1) in der Tracht der Zeit. Laut Augustin und Eusebios hatte das 4. Jahrh. noch keinen bestimmten Typus für C. Bald aber weiß die Apokryphenliteratur den auch von Eusebios 1,14 erwähnten Briefwechsel zwischen Christus und König Abgar zu Edessa mit einem angeblich in einem Brief wunderbar eingedrückten Bildnis Christi in Verbindung zu bringen, das, in Edessa aufbewahrt, später (944) nach Konstantinopel und dann nach Rom gekommen sein soll (s. Abgar). Danach schildert Johannes Damascenus im 8. Jahrh. das Bild Christi, mit dem der im 11. Jahrh. bekannt gewordene Bericht des Lentulus und die byzantinischen C. harmonieren, z. B. die in Ravenna und Rom, die Christus mit kurzem, gespaltenem Bart, langem, in der Mitte gescheiteltem Haar und edeln Zügen darstellen. Die C. in den Katakomben des Pontianus und Calixtus, Medaillons (s. Tafel »Christliche Altertümer II«, Fig. 7), Amulette u. dgl. stammen aus dieser Zeit. So bleibt der Typus in den Mosaiken, auf dem Smaragdbildnis, das Papst Innocenz VIII. aus Konstantinopel erhielt, das aber nicht vor dem 15. Jahrh. gefertigt war, und in Bilderhandschriften, bis Giotto im lu. Jahrh. ihn veredelt, Fiesole vertieft und Leonardo da Vinci im Abendmahl (zu Mailand) vollendet. Seit Giotto und der gleichzeitigen Skulptur an französischen Portalen erscheinen die künstlerische Auffassung und die Betonung der menschlichen Schönheit maßgebend, so daß jeder Künstler darin ein Ideal der Würde, Heiligkeit und Schönheit zu verkörpern sucht, wie Michelangelo, Raffael und Tizian. Die hervorragendsten C. der frühern Malerei sind von I. van Eyck, Dürer und den Genannten, aus der Neuzeit von Thorwaldsen, Dannecker, Cornelius, Heinrich Heß und Schraudolph. Diesen hat der moderne Realismus besonders durch E. v. Gebhardt einen neuen, historisch-realistisch gebildeten Christustypus entgegen gestellt, der von F. v. Uhde und seinen Nachahmern im Sinne des modernen Naturalismus mit Neigung zum Sozialismus umgebildet worden ist. Einer andern Reihe don Christusbildern gehören die »Veronikabilder« an, wo das »Schmerzensangesicht« auf dem Schweißtuch erscheint, nach der Legende gleichfalls wunderbar entstanden und daher die andre Gattung der »Acheiropoieta«, d. h. nicht von Menschenhand herrührend, bildend (s. Veronikabild). Vgl. Wilh. Grimm, Die Sage vom Ursprung der C. (Abhandlungen der Berliner Akademie, 1842); Glückselig, Christusarchäologie (Prag 1862); Wessely, Ikonographie Gottes und der Heiligen (Leipz. 1874); Dietrichson, Christusbilledet (Kopenh. 1880); Hauck, Die Entstehung des Christustypus in der abendländischen Kunst (Heidelb. 1880); F. X. Kraus, Realenzyklopädie der christlichen Altertümer, Bd. 2, S. 15–22 (Freiburg 1886); Dobschütz, C. Untersuchungen zur christlichen Legende (in Harnacks »Texten und Untersuchungen«, Leipz. 1898).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 121.
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