Denken

[323] Denken, lat. cogitare, ital. pensare, franz. penser, engl. think, heißt allgemein 1. sich geistig mit etwas beschäftigen, sich einen Gegenstand einbilden und vorstellen, näher 2. das Zusammenfassen von Vorstellungen zur Einheit im Bewußtsein, wodurch das Bilden von Begriffen, Urtheilen und Schlüssen zunächst vermittelt wird, und 3. endlich das Streben, einen Gegenstand der äußern oder vorherrschend der innern Erfahrung in seiner Wesenheit und damit in seinem Verhältnisse zu seinem Ganzen, in letzter Instanz zum All der Dinge und zu Gott zu erfassen. Ersteres hat der Sprachgebrauch aller gebildeten Völker je nach den Richtungen u. Arten des gewöhnlichen Denkens mit vielen andern Ausdrücken, z.B. überlegen, nachsinnen, sich bedenken, untersuchen u.a.m. in höherem oder geringerem Grade gleichbedeutend gemacht. Ueber das 2. sucht die Logik als Lehre des sich selbst, d.h. seiner Gesetze und Thätigkeiten bewußten Denkens aufzuklären. Insofern man von den Formen, dem Mechanismus des Denkens redet, ist Kants Behauptung, die Logik habe seit den Zeiten ihres Vaters, des Aristoteles (s. d. A.), wenig Fortschritte gemacht, noch heute giltig und eine genügende Erkenntnißtheorie überhaupt schwer zu hoffen. Die neuesten Logiker stellen 3 allgemeine Denkgesetze auf, nämlich das der Einerleiheit u. Verschiedenheit (Identität), der Einstimmigkeit u. des Widerspruchs (Contradiction) und der Begründung oder Grundlosigkeit (Causalität). Die 3. Stufe ist das philosoph. oder speculative D., in dessen Gebiet die Logik Hegels gehört und wobei sich die Macht und Ohnmacht des menschlichen Geistes zugleich erweist.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 323.
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