Galizien

[9] Galizien (von der alten Stadt und Burg Halicz so genannt), österr. Kronland, besteht aus dem Königreich G. und Lodomerien, den Herzogthümern Auschwitz u. Zator u. dem Großherzogthum Krakau, gränzt an Polnisch-Rußland, Rußland, Bukowina, Siebenbürgen, Ungarn und Schlesien, ist 14201/2 QM. groß und hat etwas über 41/2 Mill. Einw., die außer den eingewanderten Deutschen, Juden u. Armeniern slavischen Stammes sind, nämlich Ruthenen, die Hauptmasse der Bevölkerung, vorzugsweise den Osten einnehmend, Polen, denen der einheimische Adel fast ausschließlich angehört; Goralen heißen die Gebirgsbewohner, Mazuraken die Ebenenbewohner im westl. Theile des Landes. G. liegt auf dem nördl. Abhange der Karpathen und breitet sich allmälig zu Ebenen aus. Flüsse: Weichsel, bei Krakau für kleinere Fahrzeuge schiffbar, mit dem Dunajec, Wisloka u. San; Dniestr, mit dem Stry u. Podgorze, wird zuerst Gränze gegen Rußland, bevor er in dasselbe eintritt; Pruth, als Quellfluß. Einige kleine, helle und tiefe Gebirgsseen haben den Namen »Meeraugen«. G. hat sehr kalte Winter, weil es in das osteurop. Flachland übergeht, ist jedoch sehr fruchtbar an Getreide, Flachs und Hanf; an Metallen hat es keine erhebliche Ausbeute, besitzt dagegen das ungeheure Salzflötz, das sich an den Karpathen 60 M. weit von Westen nach Osten bis Siebenbürgen hinzieht und in den weltbekannten Salzwerken von Wieliczka und Bochnia bergmännisch bearbeitet wird. Die Industrie beschränkt sich auf das gewöhnliche Gewerbe, Rübenzuckerfabriken, Brennereien, einzelne Wolle- und Baumwollefabriken; sehr bedeutend ist der Speditions- und Transithandel nach Rußland und in die Moldau und wird durch den gegenwärtig mit außerordentl. Anstrengung betriebenen Eisenbahnbau neuen Aufschwung erhalten. G. zerfällt in die Reg.-Bez. Lemberg, Krakau, Stanislawow, die wieder in Bezirkshauptmannschaften eingetheilt sind; für die Rechtspflege bestehen 2 Oberlandesgerichte zu Krakau und Lemberg, 201 Bezirksgerichte, 2 Universitäten: Krakau und Lemberg, 2 techn. Schulen, 1 chirurg. Lehranstalt, 13 Gymnasien, 1 Lyceum, 2 Realschulen und 2289 Volksschulen für den öffentl. Unterricht. – G. wurde in der Völkerwanderung von Slaven besetzt, alsdann den Maghyaren tributbar, Lodomerien den Russen, wurde hierauf von den Polen erobert, riß sich von diesen los, bildete unter ungar. Schutze zuerst mehre Fürstenthümer, zu Anfang des 13, Jahrh, [9] ein Königreich, litt durch die Verwüstungen der Mongolen, war lange zwischen Rußland, Ungarn und Polen bestrittenes Land, bis es 1340 polnisch wurde, was es mit geringen, durch die Streitigkeiten verwandter Dynastien bewirkten Unterbrechungen, bis zur 1. Theilung Polens 1772 blieb, wo es an Oesterreich kam. In der 2. Theilung erhielt Oesterreich auch das Land zwischen Bug und Pilica (West-G.) verlor es jedoch 1809 an Napoleon, der es zum Großherzogthum Warschau schlug, mit dem es 1814 russisch wurde. Dagegen wurde die Republik Krakau, welche von dem Wienercongresse auf Kosten von österr. Polen war errichtet worden, als Unruhenherd 1846 von den 3 Schutzmächten aufgehoben u. von Oesterreich 1849 G. einverleibt.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 9-10.
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