Das Mögliche und Unmögliche

[15] Der Busenfreund des Gotts der Reben,

Thrax hat das Zechen aufgegeben.

Das kann nicht seyn!

O ja! denn in dem Augenblicke

Kömmt man von seinem Grab zurücke.

So räum ichs ein.


Dulcindor hat sich hoch vermessen,

Alisen ewig zu vergessen.

Das kann nicht seyn!

Der kühne Geck ward von Alisen

Mit Schimpf und Schande fortgewiesen.

So räum ichs ein.


Griselde will in ihrem Leben

Dem Spiegel keinen Blick mehr geben.

Das kann nicht seyn!

Sie glaubet beym Vorübergehen

Stets ein Gespenst darinn zu sehen.

So räum ichs ein.


Dem glücklichen Strophil verfliessen

Die Stunden unter Wein und Küssen.

Das kann nicht seyn![16]

Er selbst sagt es auf zwanzig Bogen

Von Oden, Liedern und Eklogen.

So räum ichs ein.


Der stolze Ritter Curt vom Lande

Freyt Lieschen aus dem Bürgerstande:

Das kann nicht seyn!

Die Braut hat sechzigtausend Gulden;

Damit bezahlt er seine Schulden.

So räum ichs ein.


Ismenens Mann starb wohl betaget.

Das junge Weibchen weint und klaget.

Das kann nicht seyn!

Das Wittwenjahr! das ist der Knoten,

Nur das beweint sie, nicht den Todten.

So räum ichs ein.


Chrysant, der nur auf Wucher denket,

Hat heut ein armes Weib beschenket.

Das kann nicht seyn!

Er thats, damit sie beten solle,

Daß Gott sein Geld vermehren wolle.

So räum ichs ein.


Pachom speißt öfters bey Philisten;

Der Ketzerfeind beym Calvinisten.

Das kann nicht seyn![17]

Der Ketzer, unter uns gesprochen,

Läßt desto orthodoxer kochen.

So räum ichs ein.


Balbs Meisterwerk von dreyzehn Bänden

Ist nun in aller Menschen Händen.

Das kann nicht seyn!

Man kriegt es von den Trödeljuden

Und in den Käs- und Häringsbuden,

So räum ichs ein.


Laidion will sich bequemen

Den häßlichen Marull zu nehmen.

Das kann nicht seyn!

Mich reizt, so sprach die kluge Dirne,

An ihm die schöne breite Stirne.

So räum ichs ein.

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 1, Tübingen 1802, S. 15-18.
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