Luftwiderstand [1]

[263] Luftwiderstand. Bewegt sich ein Körper relativ zur Luft (oder zu einer andern Flüssigkeit), so erfährt er einen von seiner Form und der Geschwindigkeit der Bewegung abhängigen Widerstand, der außerdem der Dichte der Luft proportional ist. Nur zum allerkleinsten Teile ist derselbe eigentlicher Reibungswiderstand; in der Hauptsache entsteht er durch die infolge der Bewegung des Körpers veränderte Luftbewegung. Ist diese Luftbewegung und die zugehörige Druckverteilung bekannt, so ergibt sich der Luftwiderstand als Gesamtwirkung der Drucke auf die Oberfläche des Körpers, die im allgemeinen Falle durch eine Resultante durch den Schwerpunkt und ein resultierendes Paar ersetzt werden kann. Die Resultante beeinflußt die Bewegung des Schwerpunktes, das Paar versucht den Körper zu drehen. Bewegt sich der Körper parallel zu einer Symmetrieebene, so hat der Luftwiderstand eine in dieser Symmetrieebene liegende, im allgemeinen nicht durch den Schwerpunkt gehende Resultante.

In wenigen Fällen, z.B. für eine mit gleichförmiger Geschwindigkeit sich bewegende Kugel, ist die Bewegung des umgebenden Mittels theoretisch zu verfolgen. Die Resultante der Druckwirkungen verschwindet aber, wenn man von der Reibung absieht, in dieser und ähnlichen Fällen. Der Grund, warum eine Kugel praktisch trotzdem einen sehr merklichen Widerstand erfährt, liegt darin, daß die Bewegung des Mittels nicht so glatt erfolgt, wie es die Theorie voraussetzt; es lösen sich nämlich auf der Rückseite des bewegten Körpers die auf der Vorderseite glatt anliegenden Stromlinien ab und bilden einen energieverzehrenden, mit Wirbeln erfüllten Raum, den der Körper hinter sich herzieht. Durch geeignete Formgebung (Zigarren- oder Fisch- bezw. Torpedoform) kann das Ablösen der Stromlinien nahezu vermieden und damit der Luftwiderstand auf ein sehr geringes Maß herabgesetzt werden. Der Luftwiderstand ist innerhalb der Grenzen von v = 0,2 m bis v = 250 m dem Quadrate der Geschwindigkeit proportional; in der Nähe der Schallgeschwindigkeit (330 m) wächst er sehr viel rascher; bei Geschwindigkeiten über 400 m befolgt er ein neues quadratisches Gesetz mit dreimal größerer Konstante, was auf die Bildung einer konischen Kopfwelle, die von der Vorderseite des bewegten Körpers ausgeht, zurückgeführt wird. Bei gleicher Form ist der Luftwiderstand der Fläche F der Projektion des Körpers auf eine zur Bewegung senkrechte Ebene proportional und wird durch folgende Formel in Kilogramm ausgedrückt: W = (aγ/g)Fv2, wo γ das Gewicht von 1 cbm Luft g = 9,8 m, F qm, v m bedeutet. Der Formfaktor a ist annähernd für ebene zur Bewegung senkrechte Flächen 0,8–1,0, für die Kugel 0,33, für einen senkrecht zur Achse angeblasenen Zylinder 0,67; für eine schiefe Ebene sin α, wo α den Winkel mit der Bewegungsrichtung bildet, ähnlich für Kegel und Pyramide, für eine günstige Torpedoform ist a < 0,15. Bei einer schiefen Ebene steht die Resultante des Luftwiderstandes senkrecht zur Ebene, geht aber nicht durch die Mitte, sondern nähert sich mehr dem angeblasenen Rande.

Als Beispiel für die Bewegung des Massenmittelpunktes im widerstehenden Mittel möge die Bewegung eines schweren, in Translation vertikal abwärts begriffenen Körpers behandelt werden, dessen Symmetrieachse vertikal ist. Die Resultante aller Widerstände des Mittels ist eine am Massenmittelpunkte vertikal aufwärts wirkende Kraft W und die Gleichung der Bewegung m(d2x/dt2) = mg – W, oder wenn die Beschleunigung des Widerstandes W : m = ψ gesetzt wird, a2x/dt2 = gψ. Setzt man ψ = εv2 oder, wenn k die Geschwindigkeit wäre, für welche [263] ψ = g würde, ψ : g = v2 : k2, so wird die Bewegungsgleichung


Luftwiderstand [1]

worin x positiv vertikal abwärts gerechnet iß. Diese Gleichung liefert vermöge


Luftwiderstand [1]

die weitere


Luftwiderstand [1]

wo das Zeichen l den natürlichen Logarithmus bedeutet, und v = 0 wird für t = 0. Hieraus ergeben sich


Luftwiderstand [1]

wenn auch x mit t verschwindet. Man erkennt hieraus, daß mit wachsender Zeit t die Geschwindigkeit sich k als Grenze nähert, die Bewegung also immer mehr gleichförmig wird. Für sehr große t wird näherungsweise


Luftwiderstand [1]

– Für die aufzeigende Bewegung würde die Bewegungsgleichung:


Luftwiderstand [1]

und wenn v0 der der Zeit t = 0 entsprechende Wert von v ist:


Luftwiderstand [1]

Näheres hierüber s. Schell, Theorie der Bewegung u. der Kräfte, Leipzig 1879, Bd. 1, S. 339–344.


Literatur: v. Lößl, F., Die Luftwiderstandsgesetze, Wien 1896; Lilienthal, O., Der Vogelflug, Berlin 1889; Langley, S.P., Experiments in aërodynamics, Smithsonian contributions to knowledge Nr. 801 v. 27., Washington 1891; Recknagel, G., Zeitschr. d. Ver. deutscher Ing. 1886, Bd. 30, s. 489.

(Schell) Finsterwalder.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 6 Stuttgart, Leipzig 1908., S. 263-264.
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