Stratameter [1]

[363] Stratameter und Neigungsmesser für Bohrlöcher sind Meßapparate zum Bestimmen von Streichen und Fallen lernfähiger, durch Tiefbohrung erschlossener Gebirgsschichten und zur Ermittlung des Verlaufs des Bohrlochs selbst.

Aus drei oder mehr Bohrlöchern läßt sich das Streichen und Fallen einer Schicht ohne Stratameter bestimmen (Aufgabe der drei Bohrlöcher); bei nur zwei Bohrlöchern muß man eine dieser Größen, bei einem einzigen Bohrloche aber beide messen. Das Stratameter besteht aus einem eisenfreien Zylinder, der in ein Bohrloch eingelassen werden kann, mit einem unten angebrachten Kernfänger, durch den der noch festsitzende Bohrkern gefaßt und ohne Drehung gegen den Zylinder mit diesem aufgeholt wird. Zur Bestimmung der Nordrichtung ist im Zylinder ein Kompaß eingeschlossen, dessen Nadel in der Tiefe arretiert wird, wenn der Kern gefaßt ist. Die Arretierung geschieht durch ein Uhrwerk zu einer vorher eingestellten ZeitStratameter von Gothan – oder zu beliebiger Zeit durch eine in den abwärtsgehenden Spülstrom geworfene Bleikugel, die auf einen Stift der Arretiervorrichtung fällt und dadurch diese in Tätigkeit setzt – Stratameter von Meine und von Thumann. Die Messung setzt voraus, daß der Bohrkern beim Fassen noch festsitzt und sich beim Abbrechen und Aufziehen nicht gegen den Zylinder dreht, daß ferner die Magnetnadel beim Arretieren in Ruhe und gegen den magnetischen Meridian nicht abgelenkt ist. Das Streichen der Bohrkernschichten liest man an einer mit der Kompaßteilung übereinstimmenden Teilung ab; das Fallen wird unmittelbar gemessen.

Bei älteren Stratametern wurde die Schiefe des Bohrlochs und damit des Bohrkerns selbst vernachlässigt. Jetzt bestimmt man auch die Schiefe des Bohrlochs beim Bohrkern, indem man im Apparate außer der Magnetnadel noch ein Lot anbringt, das beim Arretieren der Nadel ausgelöst wird und beim Fallen mit seiner Spitze einen Punkt in einer Scheibe markiert. Aus der Entfernung dieser Marke vom Mittelpunkt der Scheibe und dem Abstande des Aufhängepunkts von der Scheibe erhält man die Größe der Neigung, mittels Vergleichs mit der Kompaßstellung auch die Richtung der Neigung des Bohrlochs – Stratameter von Gothan-Otto [1], [2].

Das Stratameter ist nur für einzelne Messungen eingerichtet, der Neigungsmesser für Bohrlöcher, der als erweitertes Stratameter gelten kann, dagegen für eine fortlaufende Reihe von Messungen. Die Einrichtung der Bohrlochneigungsmesser wird bestimmt durch ihre Verwendung[363] beim Abteufen der Schächte im Gefrierverfahren, wobei im Kreise herum Bohrlöcher gestoßen werden müssen, um die Herstellung einer Frostwand zu ermöglichen. Die Bohrlöcher, die vertikal gehen sollen, weichen alle aus der Anfangsrichtung ab; wenn dann benachbarte Bohrlöcher zu weit auseinander gehen, würde die Frostmauer an dieser Stelle beim Abteufen einbrechen. Man hat also jedes Bohrloch in seinem ganzen Verlauf zu untersuchen, wohin und um wieviel es an jeder Stelle von der Vertikalen abweicht, um danach nach Bedarf Ersatzbohrlöcher zu stoßen. Der Neigungsmesser wird äußerlich durch einen Zylinder gebildet, der oben und unten Führungsfedern trägt, damit sich seine Achse beim Einlassen stets in die Achse des Bohrlochs stellt. Unten am Zylinder kann ein Kernfänger angebracht werden. Der Zylinder ist wasserdicht geschlossen, manchmal mit Oel gefüllt.

Zur Messung der Schiefe des Bohrlochs verwendet man im Zylinder ein Lot oder eine Libelle. Im Apparate von Erlinghagen [2] ist ein starres Lot cardanisch aufgehängt, dessen nach oben gerichtete Spitze bei jeder Aufnahme in die Innenseite einer Kugelschale eine Märke eindrückt. Beim Lötapparat von Haußmann [3] sind eine Dosenlibelle, zwei gekreuzte Magnetnadeln, eine Glühlampe und ein photographischer Registrierapparat im Zylinder untergebracht, so daß man eine fortlaufende Reihe von Aufnahmen der Blase der Libelle und der beiden Magnetnadeln im Bohrloche machen kann. Die Nadeln schwingen in parallelen Ebenen, sie stoßen sich gegenseitig ab und bilden an ungestörten Orten einen bestimmten Kreuzungswinkel; aus Veränderungen dieses Winkels werden die magnetisch gestörten Stellen erkannt, lnsbesondere kann der Apparat zur Aufsuchung magnetisch wirksamer Erzlagerstätten durch Tiefbohrung dienen.

Um die Richtung der Schiefe eines Bohrlochs zu bestimmen, muß man fast immer zu; einem andern Mittel als zu dem der magnetischen Orientierung greifen. Wenn nämlich – und das ist die Regel – die Bohrlöcher verrohrt sind, so versagt die Magnetnadel; man nimmt dann eine mechanische Vorrichtung. Beim Apparat von Erlinghagen erhält der Lotzylinder im Bohrloch eine Führung durch Teleskoprohre [2], die sich selbst gegenseitig durch Feder und Nut führen und die schrittweise in der Verrohrung des Bohrlochs verschoben und an dieser festgepreßt werden. Haußmann versucht seinem Apparate eine Orientierung zu geben durch ein Gestänge aus steifen Gliedern mit Kreuzgelenken [4] oder durch einen sich schnell drehenden Kreisel im Lotzylinder, der die astronomische Nordrichtung innehält, und dessen Stellung zugleich mit der Libellenblase photographiert wird [5].

Einen einfacheren Lötapparat für geringere Tiefen verwendet die »Entreprise generale de foncage de puits, études et traveaux de mines« in Paris [6]. Ein schwerer Körper wird an einem Stahldraht in das Bohrloch eingelassen und in einiger Höhe über dem Bohrloch durch einen festen Punkt geführt; am Bohrloch selbst wird die Lage des Drahtes scharf gemessen. Aus der gemessenen Schiefe des Drahtes über dem Bohrloch wird für die jeweilige Lottiefe die Abweichung des Bohrlochs nach Größe und Richtung durch einfache Proportion abgeleitet. Das Verfahren ist sehr einfach, aber nur insoweit anzuwenden, als der Lotdraht am Bohrloch nirgends anliegt, was man durch geometrische Darstellung der Lotung sowie daran erkennt, daß beim weiteren Einlassen der Lotdraht seine Lage nicht mehr ändert. S.a. Markscheidekunde, Orientierungsmessungen, Tiefbohren.


Literatur: [1] Schneider, Der Stratameter von Gothan, Mitteil. a. d. Markscheiderwesen, Neue Folge, Heft 4, Freiberg 1902. – [2] Erlinghagen, Die Feststellung des Fallens und Streichens von Tiefbohrlöchern durch Messung, »Glückauf« 1907. – [3] Mintrop, Der Lötapparat für Bohrlöcher von Haußmann, Mitteil. a. d. Markscheiderwesen, Neue Folge, Heft 9, Freiberg 1908. – [4] Haußmann, Ein neuer Lötapparat für Bohrlöcher, »Glückauf« 1908. – [5] Gyroskop bei Lotapparaten für Bohrlöcher, »Glückauf« 1908, S. 573. – [6] Methode zum Messen der Abweichungen der Bohrlöcher, Mitteil. a. d. Markscheiderwesen, Neue Folge, Heft 4, Freiberg 1902.

Haußmann.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 363-364.
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