Adjektivum

[110] Adjektivum (Nomen adjectivum), Eigenschaftswort, Beiwort, wurde von den Grammatikern des Altertums noch nicht wie jetzt als besonderer Redeteil angesehen. Den Ausdruck »Epitheton«, wovon das lateinische »Adjectivum« und unser Beiwort eine wörtliche Übersetzung ist, hat zuerst Aristoteles gebraucht. Bei den griechischen Grammatikern bildete dann das Epitheton eine der Klassen, in die sie das Nomen oder Substantivum zerlegten. In neuester Zeit hat die indogermanische Sprachwissenschaft gezeigt, daß das A. und das Substantivum in der Tat ursprünglich eins gewesen sind; doch ist die Geschlechtsbezeichnung beim Substantivum beschränkter als beim A., die Steigerung (Komparation) ist von Haus aus nur dem letztern eigen, und das A. kann zwar stets zum Substantivum, aber das Substantivum in der Regel nicht ohne weiteres zum A. werden. So kann im Deutschen aus dem A. »frei« einfach durch Vorsetzung des Artikels das Substantivum »der Freie« gebildet werden, dagegen muß an das Wort »Geist«, wenn man es in ein A. verwandeln will, die Silbe »ig« angehängt werden: »geistig«. Auch das Partizipium ist ursprünglich mit dem A. eins gewesen, nur hat es sich in mehreren Beziehungen dem Charakter des Verbums genähert. Im Deutschen hat sich eine getrennte Flexion für das starke (mit unbestimmtem Artikel) und das schwache A. (mit bestimmtem) entwickelt (ein blinder Mann, der blinde Mann; blinde Männer, die blinden Männer etc.). Hiermit hängt es zusammen, daß im Neuhochdeutschen auch ein Unterschied zwischen dem attributiven und dem prädikativen A. besteht, indem ersteres, von vereinzelten altertümlichen Redeweisen (ein Gulden rheinisch, unser Vater selig u. dgl.) abgesehen, stets mit Kasusendungen versehen erscheint (ein blinder Mann, der blinde Mann etc.), letzteres aber derselben immer ermangelt (der Mann ist blind, die Männer sind blind).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 110.
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