Ballspiel

[310] Ballspiel, gymnastisches Spiel mit dem Ball, sowohl bei zivilisierten als bei unzivilisierten Völkern (Indianer in Nordamerika, Australier u. a.) im Gebrauch. Schon auf altägyptischen Denkmälern sehen wir ein Spiel mit runden Körpern. Bei Homer spielt Nausikaa, die Tochter des Phäakenkönigs, mit ihren Gefährtinnen Ball; später scheint bei den Griechen das Spiel mehr vom männlichen Geschlecht betrieben worden zu sein, außer in Sparta, wo sich auch die Mädchen im B. übten. Es bildete als Sphäristik oder Sphäromachie einen besondern Teil der Gymnastik. Die verschiedenen Spielarten gleichen den auch bei uns gebräuchlichen. So mußte bei der Aporrhaxis der Ball möglichst oft nacheinander mit der Hand auf den Boden geschlagen werden; bei dem Spiel Urania wetteiferte eine Anzahl von Spielern in dem Auffangen eines hoch in die Luft geworfenen Balles; auch das von zwei Parteien gegeneinander gespielte Grenzballspiel wurden Griechen bekannt. Bei den Römern war das B. ebenfalls eine der beliebtesten Übungen für jung und alt. Die verschiedenen Bälle waren Pila, der kleine Spielball, Follis, der große, mit Luft gefüllte Ballon, und Paganica, zwischen der Pila und dem Follis in der Mitte stehend, mit Federn gestopft und etwas schwerer als der Follis. Der Follis wurde mit der Faust oder dem Arm geschlagen, wobei der rechte Arm mit einer Art Fausthandschuh bewaffnet war. Das Spiel gewährte eine leichte, selbst dem höhern Alter angemessene Bewegung. Die meisten Spiele wurden mit der Pila gespielt. Man spielte auf zweierlei Art: datatim und expulsim, je nachdem der Ball zurückgeworfen oder weiter geschlagen wurde. Das beliebteste Spiel war der Trigon, der von drei in einem Dreieck stehenden Personen gespielt wurde. Anstrengender war das Harpastum, wo mehrere sich eines oder auch mehrerer in der Mitte liegender Bälle zu bemächtigen suchten. Auch im Mittelalter blieb das B. sehr gewöhnlich und stand so in Ehren, daß in Städten besondere Häuser (Ballhäuser) dazu erbaut und Ballmeister besoldet wurden, die sich auf manchen Universitäten bis auf die neuere Zeit erhielten. Noch jetzt wird es in England und Frankreich ziemlich eifrig getrieben, und in Italien unterhält man geräumige Ballplätze mit einer hohen Seitenmauer zum Anschlagen des Balles und mit großem Zuschauerraum, da hier das B. meist nur noch als öffentliches Schauspiel von einzelnen Gesellschaften vorgeführt wird. Der Ball wird bei diesem italienischen B. (giuoco al palla) mittels einer die Pritsche ersetzenden hölzernen Handverkleidung geschlagen. Die regste Pflege hat das B. im 19. Jahrh. in England undz. T. auch in Nordamerika gefunden, und zwar, dem englischen Charakter entsprechend, wesentlich die einen Wettkampf bietenden Parteispiele, wie Kricket, Fußball, Lawn Tennis, Baseball, Golf (s. diese Artikel), die dort völlig sportmäßig betrieben werden bis zu öffentlichen Wettspielen auch von Berufsspielern. In Deutschland hatte sich außer den einfachen Zuwerfspielen von alters her am meisten das mit Laufen und Werfen verbundene Schlagballspiel und das wechselweise Schleudern eines größern Balles mit oder ohne Handhabe nach zwei Malen zu (Grenzball, Sauball) erhalten. Neuerdings haben aber seit der etwa um 1880 einsetzenden Spielbewegung nicht nur diese und andre Spiele eine stärkere und geregeltere Pflege, sondern auch aus England besonders Fußball und Tennis, aus Italien Faustball und Tamburinball Eingang gefunden, die genannten englischen Spiele auch bei uns vielfach mit sportmäßig einseitigem und ausgebildetem Betrieb in besondern Klubs und mit Preiswettkämpfen. Vgl. Guts Muths, Spiele (8. Aufl. von Lion, Hof 1893); Schnell, Handbuch der Ballspiele (Leipz. 1899–1901, 3 Tle.); Hermann, Ballübungen (2. Aufl., Berl. 1894).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 310.
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