Lysĭas

[4] Lysĭas, der dritte unter den zehn »attischen Rednern« (s. d.), um 450–380 v. Chr., Sohn des um 440 in Athen eingewanderten Syrakusaners Kephalos, ging, 15 Jahre alt, nach Thurii in Italien, wo er den Unterricht des Rhetors Tisias genoß. 411[4] nach Athen zurückgekehrt, betrieb er mit seinem Bruder Polemarchos eine Schildfabrik im Piräeus. Unter der Herrschaft der Dreißig (404) wurden beide als Gegner der Regierung angeklagt, ihr Vermögen konfisziert und Polemarchos hingerichtet; L. rettete sich durch die Flucht nach Megara. Nach dem Sturz der Tyrannen, zu dem er eifrig mitgewirkt, lebte er wieder in Athen der lohnenden Beschäftigung, für andre Gerichtsreden zu schreiben, nachdem er durch die Anklage des Eratosthenes, des Mörders seines Bruders, seinen Ruf als Redner begründet hatte. Im Altertum schrieb man ihm 425 Reden zu, von denen jedoch nur 233 für echt galten. Erhalten sind, außer zahlreichen, zum Teil umfänglichen Bruchstücken, 34 Reden, nicht alle vollständig und einzelne von zweifelhafter Echtheit. Nur die erwähnte gegen Eratosthenes hat er selbst gehalten. Meist der gerichtlichen Gattung angehörig, zeichnen sie sich durch Reinheit und Schlichtheit der Sprache, Sachgemäßheit des Ausdrucks, methodische Behandlung des Stoffes, bei aller Knappheit überaus lichtvolle und anschauliche Darstellung und außerordentliche Kunst der Charakterzeichnung aus. Herausgegeben, außer in den Sammlungen der Redner, von Westermann (Leipz. 1854), Cobet (4. Aufl., Leiden 1905), Thalheim (Leipz. 1901), in Auswahl von Frohberger (das. 1866–71, 3 Tle.; Bd. 1 in 3. Aufl. 1895, Bd. 2 in 2. Aufl. 1892 von Thalheim), Rauchenstein und Fuhr (10. Aufl., Berl. 1886). Übersetzung von Baur (4. Aufl., Stuttg. 1884) u. a. Vgl. Blaß, Die attische Beredsamkeit, Bd. 1 (2. Aufl., Leipz. 1885).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 4-5.
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