Palacky

[313] Palacky (spr. pálazki), Franz, tschech. Geschichtsforscher und Politiker, geb. 14. Juni 1798 zu Holzendorf in Mähren, gest. 26. Mai 1876 in Prag, Sohn eines der böhmischen Brüdergemeinde angehörigen Schullehrers, erhielt in Preßburg und Wien seine wissenschaftliche Vorbildung. Anfang 1823 begab er sich nach Prag, fand dort an Dobrowsky und Jungmann freundschaftliche Unterstützung, vorzüglich aber an dem Grafen Franz Sternberg einen warmen Förderer. Er gab ihm einen Jahresgehalt von 200 Guld. für die Arbeiten im gräflichen Archiv, verschaffte ihm wissenschaftliche Arbeiten für andre Adelsgeschlechter, setzte es durch, daß P. 1827 mit der Redaktion der deutschen und tschechischen »Zeitschrift des Nationalmuseums« betraut und 1839 auf Vorschlag der böhmischen Stände zum Landeshistoriographen Böhmens ernannt wurde. In ihrem Auftrag schrieb er seine »Geschichte von Böhmen« zuerst deutsch, dann tschechisch (Prag 1836–67, 5 Bde., bis 1526 reichend; wiederholt abgedruckt), ein Werk von wissenschaftlicher Bedeutung, mit ausgesprochen tschechischer Parteinahme. Im April 1848 wohnte P. dem deutschen Vorparlament in Frankfurt bei, erklärte sich jedoch gegen die Vertretung Böhmens im Reichsparlament selbst. Er war dann Mitglied des böhmischen Gouvernementsrats, einer der Leiter des slawischen Kongresses und zuletzt das Haupt der slawischen Partei auf dem Reichstag zu Kremsier. 1861 wurde er zum Mitglied des Herrenhauses ernannt und trat seit 1863 als Führer der tschechisch-föderalistischen Partei auf dem böhmischen Landtag politisch hervor; er und sein Schwiegersohn Rieger verfochten mit hartnäckigem Eifer die Idee der Wenzelskrone und bekämpften die österreichische Verfassung mit solcher Verblendung, daß sie (P. war Protestant) selbst den engsten Bund mit Ultramontanen und Feudalen nicht scheuten. Auch an dem panslawistischen Kongreß in Moskau 1867 nahm P. teil. Von seinen Werken sind noch hervorzuheben: »Anfänge der böhmischen Dichtkunst« (mit Sasařik, Preßb. 1818); »Würdigung der alten böhmischen Geschichtschreiber« (Prag 1830, neue Ausg. 1869); »Synchronistische Übersicht der höchsten Würdenträger, Landes- und Hofbeamten in Böhmen« (das. 1832); »J. Dobrowskys Leben und gelehrtes Wirken« (das. 1833); »Literarische Reise nach Italien im Jahr 1837 zur Aufsuchung von Quellen der böhmischen und mährischen Geschichte« (das. 1838); »Die ältesten Denkmäler der böhmischen Sprache« (mit Sasařik gemeinschaftlich, das. 1840); »Archiv český« (1840–72, 6 Bde.); »Über Formelbücher, zunächst in bezug auf böhmische Geschichte« (das. 1842–47,2 Lfgn.); »Österreichs Staatsidee« (das. 1866); »Die Geschichte des Hussitentums und Professor Konstantin Höfler, kritische Studien« (das. 1868); »Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Hussitenkriegs« (das. 1872–74, 2 Bde.); »Documenta Magistri Joannis Hus vitam, doctrinam, causam etc. illustrantia« (das. 1869); »Gedenkblätter etc. aus den letzten 50 Jahren« (das. 1874); »Zur böhmischen Geschichtschreibung; aktenmäßige Aufschlüsse u. Worte der Abwehr« (das. 1871); »Radhost« (Sammlung kleinerer tschechischer Aufsätze, das. 1871–73, 3 Bde.). – Sein Sohn Johann, geb. 10. Okt. 1830 in Prag, Professor daselbst, ist durch wissenschaftlich-geographische Arbeiten bekannt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 313.
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