Tagelied

[282] Tagelied (Tageweise, Wächterlied), eine Gattung des mittelalterlichen Minnegesanges, die balladenartig das Scheiden zweier Liebenden schildert, woran der Turmwächter, den anbrechenden Tag verkündend, mahnt. Diese Dichtungsform war in der Provence erfunden, wurde aber in Deutschland schon früh nachgeahmt und hier, teils mit der Figur des [282] Wächters, teils ohne dieselbe als bloßes Scheideduett, bald sehr populär; als größter Meister derselben erscheint Wolfram von Eschenbach. Später übernahm das Volkslied die Pflege der Tageweisen, die in der Reformationszeit auch eine geistliche Umdeutung erfuhren, wodurch die sogen. geistigen Wächterlieder entstanden, als deren letztes das noch heute gesungene Lied »Wachet auf, ruft uns die Stimme« von Ph. Nicolai zu nennen ist. Vgl. Bartsch, Gesammelte Vorträge und Aufsätze (Freiburg 1883); de Gruyter, Das deutsche T. (Leipz. 1887); G. Schlaeger, Studien über das T. (Jena 1895).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 282-283.
Lizenz:
Faksimiles:
282 | 283
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika