Veronĭka

[95] Veronĭka, die heilige, eine fromme Frau in Jerusalem, die Jesus auf seinem Todesgang ihr Kopftuch zum Abtrocknen von Schweiß und Blut darreichte und zum Lohn dafür auf dem zurückgereichten Tuch den treuen Abdruck seines Antlitzes erhielt. So die spätmittelalterliche, kirchlich rezipierte Form der Legende, die sich als reife Frucht einer langen Entwickelung erweist: ihre Wurzeln liegen in der auf Jesus und das blutflüssige Weib gedeuteten Erzstatue von Paneas und der Verwechselung dieser Frau mit der Tochter des kanaanäischen Weibes, die schon in den Pseudoclementinen den Namen Berenike (lat. Veronica) führt; daraus wird in einer Pilatusdichtung des 6. Jahrh. eine Anhängerin Jesu, die sich sein Bild malen läßt, dessen Heilkraft Kaiser Tiberius erprobt. Im 11. Jahrh. kommt, vielleicht aus der Abgarsage (s. Abgar) der Zug hinzu, daß Jesus selbst das Bild wunderbar herstellt; erst im folgenden Jahrhundert beginnen die Beziehungen auf die Leidensgeschichte. Eine französische Dichtung verlegt die Entstehung unter das Kreuz; um 1300 begegnet zuerst die Form mit dem Leidenswege. Inzwischen war das Veronikabild (oft selbst V. genannt und dann als Vera-ikon = wahres Bild, etymologisch erklärt) mit einem ältern Christusbild der Peterskirche identifiziert worden. Die von den Päpsten mit reichem Ablaß ausgestattete Devotion zu dem Bilde rief außer Hymnen zahllose Nachbildungen hervor, die ohne alle Rücksicht auf das Original die Leidenszüge des Ecce homo (s. d.) immer wieder zum Ausdruck bringen. Fest: 4. Februar. Vgl. W. Grimm, Die Sage vom Ursprung der Christusbilder (Berl. 1842); v. Dobschütz, Christusbilder (Leipz. 1899).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 95.
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