Wanderzwang

[365] Wanderzwang, eine in den Zunftstatuten des 14. Jahrh., besonders aber Ende des 15. Jahrh. vorkommende Bestimmung, gemäß der die Handwerksgesellen zum Wandern gezwungen wurden. Ursprünglich beabsichtigte man mit dem W. eine Erweiterung der technischen und geschäftlichen Kenntnisse und Kunstgriffe des Wandernden; er sollte die bedeutendern Orte seines Handwerkes aufsuchen und die dort erworbenen Kenntnisse in der Heimat nutzbringend verwerten. Die wandernden Gesellen hatten sich durch Arbeit zu unterhalten; wo sie keine Arbeit fanden, erhielten sie eine Unterstützung, das sogen. Geschenk. Später sollte durch die meist mehrjährige Wanderzeit die Selbständigmachung der Gesellen als Meister hinausgeschoben und die Konkurrenz vermindert werden. Diese Absicht geht deutlich daraus hervor, daß Meistersöhne und Gesellen, die eine Meisterswitwe oder -Tochter des Handwerks heirateten, von dem W. befreit waren. Bei manchen Handwerken war jedoch das Wandern geradezu verboten, und zwar in solchen, bei denen man befürchtete, daß durch das Wandern der Gesellen die Handwerksgeheimnisse in der Fremde verbreitet würden. Der W. wurde in Deutschland durch die Gewerbeordnung von 1869, ebenso auch in andern Ländern aufgehoben. Vgl. Schanz, Zur Geschichte der deutschen Gesellenverbände (Leipz. 1876).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 365.
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