Feldhühner (Perdicinae)

[76] Die Feldhühner (Perdicinae), welche die zweite, wohlumgrenzte Unterfamilie bilden, unterscheiden sich von den Rauchfußhühnern durch ihre schlanke Gestalt, den verhältnismäßig kleinen Kopf und die unbefiederten Läufe. Der Schnabel pflegt verhältnismäßig gestreckt zu sein, wölbt sich auf der Firste nur mäßig und ist seitlich nicht zusammengedrückt. Der Lauf wird oft durch einen, auch wohl durch zwei Sporen bewehrt. Der Flügel, in welchem die dritte oder vierte [76] Schwinge die längste zu sein pflegt, ist ebenfalls noch sehr kurz und abgerundet, aber nicht mehr so gewölbt wie bei den Rauchfußhühnern, der aus zwölf bis sechzehn Federn bestehende Schwanz stets kurz. Um das Auge findet sich zuweilen, jedoch nicht immer, eine nackte Stelle, ausnahmsweise ist auch wohl ein Kehlfeld unbefiedert; dagegen fehlen meist die für die Rauchfußhühner so bezeichnenden Brauenwülfte. Das Gefieder liegt meistens ziemlich glatt an; seine Färbung unterscheidet die Geschlechter gewöhnlich nicht.

Nach den Untersuchungen von Nitzsch unterscheiden sich die Feldhühner von ihren nächsten Verwandten, den Rauchfußhühnern, außerdem vorzüglich durch folgende Merkmale. Der Vorderarm ist meist oder immer etwas kürzer als der Oberarm, das Becken eben so schmal und länglich wie bei den verwandten Familien, der Dorn am Seitenrande jedes Darmbeines, welcher den Rauchfußhühnern fehlt, deutlich und zumal bei den Frankolinen ausnehmend entwickelt, der Oberschenkelknochen markig und nicht luftführend. Die Schwanzwirbel sind in Gemäßheit der Kürze und Schwäche der Schwanzfedern sehr schwach und viel kleiner als bei den Rauchfußhühnern. Die sonderbare gallertartige Masse, welche sich jederseits am unteren Ende der Luftröhre der männlichen Rauchfußhühner befindet, fehlt hier, die Blinddärme, obgleich lang, sind doch weit kürzer, die Nieren dagegen mehr in die Länge gezogen als bei jenen.

Mit Ausnahme des hohen Nordens bewohnen die Feldhühner alle Länder der Alten Welt und alle Gegenden, vom Meeresgestade an bis zu den bedeutendsten Berghöhen empor. Ihrem Namen entsprechend bevorzugt die große Mehrzahl allerdings offene, waldlose Stellen; demungeachtet gibt es viele, welche gerade in Waldungen sich ansiedeln und hier ebenso versteckt leben wie irgend ein anderes Huhn. In ihrem Wesen zeichnen sie sich in mancher Hinsicht aus. Sie sind behender und gewandter als viele ihrer Ordnungsverwandten, fliegen zwar etwas schwer, aber doch noch ziemlich rasch, wenn auch selten hoch und weit, vermeiden aber soviel wie möglich, auf Bäumen sich niederzulassen. Hinsichtlich der geistigen Fähigkeiten scheinen sie wenigstens die Rauchfußhühner zu übertreffen. Sie sind scharfsinnig und verhältnismäßig klug, fügen sich leicht in die verschiedensten Verhältnisse, bekunden eine gewisse List, wenn es gilt, Gefahren auszuweichen, andererseits auch wieder Muth und Kampflust. Soviel bis jetzt bekannt, leben alle unserer Familie angehörigen Arten in Einweibigkeit, die meisten wohl auch in sehr treuer Ehe, während einzelne freilich sich vom Pfade der Tugend ablocken und durch ein ihnen vorkommendes Weibchen zur Untreue gegen die gewählte Gattin verleiten lassen. Am Brutgeschäfte nehmen die Männchen regen Antheil, bekümmern sich mindestens angelegentlich um die Sicherheit der brütenden Weibchen und später ihrer Jungen. Die Henne legt eine beträchtliche An zahl einfarbiger oder auf lichtgilblichem und bräunlichem Grunde dunkelgefleckte Eier in ein einfaches Nest. Während der Brutzeit lebt jedes Paar für sich, erobert sich ein Gebiet und vertheidigt dieses gegen andere derselben Art, auch wohl gegen fremdartige Eindringlinge. Nachdem die Jungen erwachsen sind, schlagen sich oft mehrere Familien in zahlreiche Ketten zusammen. Hinsichtlich der Nahrung unterscheiden sich die Feldhühner insofern von den Rauchfußhühnern, als sie fast nur zarte pflanzliche wie thierische Stoffe verzehren. Von Kiefernadeln und ähnlichem schlechten Futter, wie das Auerhuhn, lebt gewiß kein Mitglied dieser Familie; alle Arten jagen aber den verschiedensten Kerbthieren und deren Larven eifrig nach, und die meisten scheinen Körnern andere Pflanzentheile, namentlich Blätter und dergleichen, vorzuziehen.

Niemand wird die Feldhühner im Ernste zu den schädlichen Thieren zählen. Die Südländer bezeichnen allerdings einzelne Arten als Landplage, nehmen aber den Ausdruck nicht so genau; denn in der That und Wahrheit ist man den zierlichen Geschöpfen allerorten zugethan und fürchtet nicht, von ihnen gebrandschatzt zu werden. Diese Zuneigung gründet sich freilich zum großen Theile auf das Vergnügen, welches die Feldhühner insgesammt den Jagdfreunden bereiten. Es gibt keine einzige Art der Unterfamilie, auf welche nicht mehr oder weniger leidenschaftlich gejagt würde. Alle Mittel setzt man in Bewegung, um das eine oder das andere Feldhuhn zu erlangen: Feuergewehr [77] und andere Waffen, Netz und Schlinge, abgerichtete Falken und Hunde. Allerorten werden alljährlich tausende dieser Hühner erlegt, und fast überall ersetzen sich die Verluste rasch wieder. Die Bedeutung solcher Vögel darf man gewiß nicht unterschätzen.

An die Gefangenschaft gewöhnen sich die Feldhühner leicht; viele von ihnen halten bei einigermaßen geeigneter Pflege jahrelang im Käfige aus, und die meisten schreiten im Käfige auch zur Fortpflanzung. Manche schließen sich so innig dem Menschen an, daß sie ihm wie ein Hund auf dem Fuße nachfolgen, sich förmlich als Mitglieder des Hauses zu betrachten scheinen und mehr oder minder an den Leiden und Freuden ihrer Pfleger Antheil nehmen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Sechster Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Dritter Band: Scharrvögel, Kurzflügler, Stelzvögel, Zahnschnäbler, Seeflieger, Ruderfüßler, Taucher. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 76-78.
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