Indigenāt

[885] Indigenāt (v. lat.), 1) das Eingeborensein einer Person in einem Lande; 2) der Inbegriff der den Unterthanen eines Staates zukommenden Rechte; 3) die Vorrechte, welche den Eingebornen vor den Aufgenommenen zu Statten kommen, welche indessen durch ein Privilegium auch den letzteren ertheilt werden können. Diese Rechte werden erworben: a) durch die Geburt, wenn die Eltern (od. bei unehelichen Kindern die Mutter) zur Zeit der Geburt das Unterthanenrecht hatten; b) durch Aufnahme, diese erfolgt entweder aa) durch einen Einzugsbrief (Diploma indigenatus); od. bb) durch Übertragung eines Staatsdienstes; cc) durch die Ehe einer Ausländerin mit einem Unterthanen u. dd) in manchen Staaten auch durch einen längeren fortgesetzten Wohnsitz im Lande, z.B. in Österreich nach 10 Jahren. Der gestattete Aufenthalt allein, wenn auch von der Beschaffenheit, daß er, vermöge der Absicht einer Person, ihren Wohnsitz an einem Orte zu haben, sie den Gesetzen dieses Landes unterwirft, begründet darum doch nicht alle Unterthanenpflichten u. deshalb auch nicht alle Rechte des Einheimischen. Diese Verschiedenheit zeigt sich indessen vorzugsweise nur im öffentlichen Rechte. Nur den Einheimischen, nicht auch den blos im Lande sich aufhaltenden Fremden steht ein Recht auf ständigen Wohnsitz im Staatsgebiete, so daß er auch nicht an einen fremden Staat ausgeliefert werden darf, zu. Nur der Einheimische hat das Recht auf vollen Staatsschutz, auch wenn er außerhalb Landes sich aufhält, u. nur das I. gewährt die Vorbedingung zur Ausübung politischer Stimmrechte, zum Erwerb des eigentlichen Staatsbürgerrechtes, zur Fähigkeit ein öffentliches Amt zu bekleiden, zuweilen auch zur Ausübung anderer allgemeiner politischer Rechte, wie des Vereins-, Petitionsrechtes od. des Gebrauches der freien Presse. In Beziehung auf privatrechtliche Rechtsfähigkeit ist jetzt (nach älterem Rechte galten drückendere Beschränkungen, welche die Ausübung des Fremdlingsrechtes [Jus albinagii, Droit d'aubaine] u. des Abschosses [Gabella hereditaria, s.d.] herbeiführte) meist kein Unterschied zwischen Einheimischen u. Fremden. Das I. wird durch Landesverweisung, durch die Erwerbung des Unterthanenrechtes in einem anderen Lande, wo die Beibehaltung des I-s in dem erstern nicht gestattet wird, u. durch Auswanderung verloren.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 885.
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