Staatsgebiet

[631] Staatsgebiet (lat. Territorium), das Gebiet, auf welchem eine Staatsgewalt (s.u. Staat S. 621) ihre Thätigkeit entwickelt. Zur Zeit des Deutschen Reichs unterschied man zwischen geschlossenen (T. clausum) u. ungeschlossenen S-en (T. non clausum) u. verstand unter den letzteren die Gebiete solcher Landesherren, welche durch unmittelbare Reichsländer unterbrochen waren. Heutzutage bilden mit dem Wegfall der letzteren alle deutschen S-e nur geschlossene Territorien, u. zwar auch in dem Sinne, daß überall die Grenzen des S-es festbestimmt sind. Finden sich einzelne Gebietstheile, welche räumlich von der Hauptmasse des S-es entfernt, gleich Inseln unter fremden S-en liegen, so heißen diese Gebietstheile Exclaven, kleinere Gebietstheile, welche von einem fremden Staatsgebiete ganz umschlossen sind, werden Enclaven genannt. Condominate heißen Gebiete, in denen mehrern Staaten die Staatsgewalt ungetheilt zusteht (z.B. früher Lippstadt, als gemeinschaftlich zwischen Preußen u. Lippe). Für die meisten deutschen S-e ist gegenwärtig die Untheilbarkeit grundgesetzlich ausgesprochen, zum Theil schon in Folge früherer Hausgesetze, namentlich der Primogeniturordnungen (s.d.), zum Theil auch mittelst Landesverträgen, durch welche den Ständen die Versicherung der Untrennbarkeit gegeben wurde, in neuerer Zeit fast überall durch die Verfassungsurkunden u. Staatsgrundgesetze. Daraus ergibt sich auch der Grundsatz der Unveräußerlichkeit des S-es, möge diese nun als wirkliche Abtretung od. nur als Pfandschaft gedacht werden. In beiden Beziehungen hatte man dagegen zur Zeit des Deutschen Reiches über die Zulässigkeit kein Bedenken. Für kleinere Abtretungen, welche sich wohl zum Zwecke von Grenzberichtigungen u. Herstellung einer angemessenen Abrundung des S-es empfehlen können, wird nach allen neueren Verfassungsurkunden wenigstens die Zustimmung der Stände erfordert. Bei streitigen Grenzen zweier S-e, für deren Regulirung gemeinschaftliche Grenzcommissionen eingesetzt werden, gilt im Allgemeinen die auch privatrechtliche Regel, daß, insofern die frühere Grenze nicht aufgefunden werden kann, das zweifelhafte Gebiet zu theilen ist. Von demjenigen, was sich in, unter u. auf dem S. befindet od. ereignet, gilt die Vermuthung, daß es auch der Staatsgewalt des Gebietes unterworfen sei (Quicquid est in territorio, est etiam de territorio, Territorialitätsprincip). Ausnahmen hiervon entstehen nur durch die Rechte der Exterritorialität u. Staatsservituten (s. b.).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 631.
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