Weinen

[48] Weinen (Fletus), die durch körperlichen Schmerz od. Gemüthsbewegungen hervorgerufene, bis zum Überfließen der Augen gesteigerte, vermehrte Absonderung[48] der Thränen. Die das W. veranlassenden Gemüthsbewegungen sind in den meisten Fällen trauriger Art, doch kann auch Zorn, Wuth, Mitleid, Rührung u. selbst große, bes. mit Überraschung verbundene Freude dasselbe bewirken, in welchem letztern Falle oft Lachen u. W. mit einander verbunden sind. Das W. in Folge schmerzhafter od. trauriger Gefühle, ob es gleich bei Weibern u. Kindern (welchen letztern es in der frühesten Lebenszeit als einziges Mittel ihre Bedürfnisse kund zu thun am meisten eigen ist) am häufigsten beobachtet wird, ist deshalb nicht immer als Zeichen von Schwäche zu betrachten. Das körperliche Befinden hat vielen Einfluß auf Erregung des Weinens. Bei manchen Menschen hat der reichliche Genuß geistiger Getränke ähnliche Wirkung. Bei tiefem Seelenschmerz bildet das W. gleichsam eine wohlthätige Krisis u. erleichtert das drückende Gefühl des thränenlosen Schmerzes, auch gewährt es bei einem Schmerz, mit welchem der Geist sich bereits vertraut gemacht hat, eine Erholung u. Befriedigung. Bei Thieren, namentlich bei Pferden, Hirschen, Affen, welche letztere dabei das Gesicht mit der Hand bedecken, will man das W. ebenfalls, jedoch nur in Folge der höchsten Angst u. Unruhe, bemerkt haben.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 48-49.
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