Hilfsweg

[194] Hilfsweg (voie de secours), der Weg, auf dem der Personen- und Güterverkehr im Falle einer Betriebsstörung abgelenkt wird.

Die reglementarischen Bestimmungen in den einzelnen Ländern setzen fest, unter welchen Voraussetzungen der Reisende einen H. zu benutzen und die Eisenbahn auf einem solchen, Frachtgüter der Bestimmungsstation zuzuführen, berechtigt ist. Vgl. hierüber die Artikel Fahrkarte und Frachtrecht.

Die Bahnverwaltungen pflegen einander in Fällen von Betriebsstörungen das größte Entgegenkommen zu betätigen und die Benutzung ihrer Strecken als H. zu gestatten.

Die Schwierigkeit, nach Eintritt einer Verkehrsstörung mit genügender Raschheit die erforderlichen Vereinbarungen mit den beteiligten Bahnverwaltungen zu treffen, hat in einer Reihe von Verbänden (z.B. VDEV., DEVV.) zur Vereinbarung allgemeiner Grundsätze bezüglich der Leitung von Personen oder Gütern über H. geführt, auf Grund deren bei Eintritt einer Verkehrsstörung die Überführung des Verkehrs auf fremde Bahnen sofort eingeleitet werden kann.

Hierbei behalten sich die beteiligten Verwaltungen vor, ein für allemal, oder im einzelnen Fall jene Strecken zu bezeichnen, die wegen ihrer Betriebsverhältnisse nicht als H. in Anspruch genommen werden können.


Nach den Bestimmungen des VDEV. gewährleisten sich die Vereinsverwaltungen in Fällen von Verkehrsstörungen die gegenseitige Benützung ihrer Linien als H. für die Beförderung der von ihren Dienststellen bei Eintritt der Verkehrsstörung bereits übernommenen, sowie der innerhalb 7 Tagen nach dem Tage des Eintritts der Verkehrsstörung zur Aufgabe gelangenden Güter einschließlich der lebenden Tiere und der mit Frachtbrief aufgegebenen Fahrzeuge. Die von der Verkehrsstörung betroffene Verwaltung ist berechtigt, den einzuhaltenden H. nach den für die Wahl desselben festgesetzten Grundsätzen zu bestimmen, ohne daß es hierzu des Einvernehmens mit den am H. beteiligten Verwaltungen bedarf. Ist bei der Bekanntgabe der Verkehrsstörung die Mitteilung unterblieben, daß eine Ablenkung nicht einzutreten hat, so sind die Verwaltungen zur Bestimmung des H. berechtigt, in deren Bereich sich Güter befinden, die über den unterbrochenen Weg zu befördern sind.

Für die Wahl des H. gelten folgende Grundsätze:

a) Sind in den Leitungsvorschriften für die Abfertigung nach einer jenseits der Unterbrechungsstelle gelegenen Station von der Versandstation oder der Umkartierungsstation aus mehrere Verbandswege vorgesehen, so hat die Leitung über den nächstfolgenden fahrbaren Verbandsweg zu erfolgen.

b) In allen anderen Fällen ist wegen der Leitung der Güter die Anweisung der vorgesetzten Dienststelle abzuwarten.

Für die über H. geleiteten Sendungen sind die Frachten, wie folgt, zu berechnen:

a) Bei direkt bis zur Bestimmungsstation kartierten Sendungen sowie bei den bis zu einer Unterwegsstation, die auf dem H. erreicht wird, kartierten Sendungen sind die über den unterbrochenen Weg gültigen Frachtsätze anzuwenden.

b) Ist eine der Kartierungen des Abs. a nicht möglich, so ist die Sendung nach den für die tatsächliche, als H. vorgeschriebene Beförderungsstrecke gültigen Tarifen abzufertigen.

c) Die nach einer Unterwegsstation bereits kartierten Sendungen, die auf dem vorgeschriebenen H. diese Umkartierungsstation nicht erreichen, sind von der ablenkenden Station unter Abänderung der ursprünglichen Kartierung nach den für die tatsächliche Beförderungsstrecke gültigen Tarifen abzufertigen.

Auf Sendungen, die nach Ablauf von sieben Tagen nach dem Tage des Eintritts der Verkehrsstörung nach einer jenseits der Unterbrechungstelle gelegenen Station aufgegeben werden, sind, soweit nicht eine andere Anordnung getroffen wird, in allen Fällen die für den benutzten Umweg gültigen Frachtsätze anzuwenden.

Nach den Vorschriften des DEVV. werden, sobald eine Betriebsstörung bekanntgemacht worden ist, Personen und Reisegepäck über die gestörte Linie nicht mehr direkt abgefertigt, wenn nicht durch besondere Abmachungen unter den beteiligten Verwaltungen etwas anderes vereinbart ist.

Die Bestimmungen des DEVV. über den H. für den Güterverkehr entsprechen im wesentlichen jenen des VDEV. Bezüglich der Wahl des H. schreiben diese Bestimmungen vor, daß wenn sich die Sendungen noch auf der Versandstation oder Umbehandlungsstation befinden und nach den maßgebenden Leitungsvorschriften andere Bahnwege beförderungsberechtigt sind, wenn auch nur in der umgekehrten Richtung, diese als H. zu wählen sind.

In allen anderen Fällen ist der Weg als H. zu wählen, auf dem das Gut am schnellsten der Bestimmungsstation zugeführt werden kann.

Kann ohne wesentliche Verzögerung der Beförderung ein Bahnweg benutzt werden, der ausschließlich der Verwaltung angehört, in deren Bereich die Störung eingetreten ist, und zu derselben Übergangsstation führt wie der gestörte Weg, so ist dieser Weg als H. zu wählen.

Die Bestimmung, daß die über die gestörte Linie geltenden Frachtsätze bis auf weiteres für neu aufgegebene Güter nicht mehr anzuwenden sind, ist zu treffen, sobald eine der beteiligten Verwaltungen dies verlangt.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 6. Berlin, Wien 1914, S. 194.
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