List, Felix

[626] List, F. Felix List wurde am 17. 1. 1824 in Berlin als Sohn des dortigen Buchhändlers J. A. List geboren. Der Vater hatte seine Sortiments- und Verlagsbuchhandlung 1828 begründet, 1835 Carl J. Klemann als Teilhaber aufgenommen, infolgedessen sich die Firma in List & Klemann änderte. Klemann übernahm die Verlagsabteilung 1839 ganz; 1884 kam sie an Leonar Krakau, von dem sie unter dem Namen Klemanns Verlag in Berlin fortgeführt wurde.

Seine Lehrzeit absolvierte Felix List in dem väterlichen Geschäft; er war dann in Berlin, Zürich und Paris als Gehilfe tätig. Paris war um die fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts für alle jungen Leute, welche sich dem Buchhandel widmeten, die Hochschule der Ausbildung. List eignete sich hier neben ausgedehnten Sprachkenntnissen auch bedeutende Bücherkenntnisse an. Er machte auch die Bekanntschaft vieler bedeutenden Gelehrten, Literaturfreunde, Buchhändler und Antiquare wie z.B. Edw. Troß, B. Quaritsch, Nic. Scheuring u. a. – Bekanntschaften, die auf seine spätere Wirksamkeit von großem Einfluß waren.

Als List nach Deutschland zurückgekehrt war, arbeitete er zunächst bei Baensch in Magdeburg und wandte sich von hier wieder nach seiner Vaterstadt, wo er unter anderem auch als Herausgeber und[626] buchhändlerischer Leiter eines technischen Journals beschäftigt war. Bald darauf ging er jedoch nach Frankfurt a. M.

1854 kam List besuchsweise nach Leipzig, um die mit seinem späteren Geschäftsteilhaber Hermann Francke schon früher angeknüpfte Bekanntschaft zu erneuern. Hierbei vermittelte der letztere List's Eintritt in das Geschäft von T. O. Weigel, der noch in demselben Jahre erfolgte. List leitete bei Weigel das Antiquariats-Geschäft, das sich auf feste Ankäufe für das antiquarische Lager beschränkte, während Francke das Auktionsinstitut und das damals in der Entstehung begriffene Großantiquariat unter sich hatte.

1862 errichteten beide Freunde in Leipzig eine wissenschaftliche Antiquariats-Buchhandlung unter der Firma: List & Francke. Als Grundlage derselben kauften sie den naturwissenschaftlichen Verlag von Levy Elkan, Bäumer & Co., früher Arnz & Co. in Düsseldorf an. Es befanden sich darunter viele Prachtwerke, z.B. das große Goldfuß'sche Petrefakten-Werk, von welchem sie eine neue Ausgabe veranstalteten, ferner Siebolds Fauna Japonica, Wulverhorsts traité de fauconnerie, Werke von Schlegel, Göppert, Miquel etc.

Ihre Tätigkeit umfaßte den Antquariats-Buchhandel im weitesten Sinne. Sie pflegten nicht allein den Buchhandel, sondern auch den Musikalien- und Autographen-Handel zogen sie in den Bereich ihrer Tätigkeit. Die jetzt so stattliche Reihe ihrer antiquarischen Verzeichnisse, die bereits die Nr. 394 erreicht hat, begannen sie mit einem Katalog über eine sehr gewählte musikalische Bibliothek eines ungenannten Sammlers (des Prälaten Landsberger in Rom).

Was den Autographenhandel anbelangt, so betrieben sie denselben auf dem Wege der Auktion und bildeten in dieser Richtung bald das bedeutendste Institut Deutschlands, da fast alle großen Sammlungen durch ihre Vermittelung zum Verkauf kamen, so z.B. die Sammlungen von Morbio, Konsul Claus, Abraham, Ad. Böttger, von der Tann, Halm, Wüstemann, Hofmeister, Künzel, Schwender etc. Während die Bücher- und Autographen-Auktionen – veröffentlicht hat die Firma bisher 132 Auktionskataloge – die Vertreibung des Verlages und der Partieartikel, das Geschäft mit theoretischen Werken über Musik und Musikalien, sowie verschiedene andere Branchen in der Hauptsache das spezielle Feld Franckes bildeten, besorgte List das eigentliche antiquarische Büchergeschäft. Es mögen hier nur einige der berühmtesten Bücher-Sammlungen, welche durch die Firma in den Handel gebracht wurden, erwähnt sein. 1873 erwarben List & Francke die Bibliothek des Sergei Sobolewski in Moskau, welcher eine Büchersammlung hinterließ, wie sie so leicht von einem Privatmanne nicht wieder zusammengebracht werden wird. Sie umfaßte Rossica und Reisewerke, daneben unter vielen anderen Kostbarkeiten[627] ein vollständiges Exemplar der de Bry'schen Publikationen, d.i. eine Sammlung von Reisen in Ost- und West- Indien. Diese eine Nummer der Sobolewski-Sammlung wurde zu dem Preise von 7100 Talern verkauft. Die bedeutendste und berühmteste Büchersammlung, die durch die Firma zum Verkauf kam, war die sogenannte Dr. José Maria Andrade-Sammlung. Die Bibliothek dieses mexikanischen Bibliophilen war seinerzeit von dem unglücklichen Kaiser Max kurz nach seiner Landung in Mexiko erworben und später von ihm sehr vermehrt worden in der Absicht, daraus eine kaiserliche Bibliothek zusammenzustellen. Die tragischen Ereignisse hinderten den Kaiser an der Ausführung des Planes, und so wurde denn die Sammlung in mehr als 200 Kisten auf Mauleseln verpackt, nach Vera-Cruz transportiert und nach Europa verschifft. Hier angekommen, wurde sie nach dem Tode des Kaisers Max von List & Francke erworben. Ihre Versteigerung am 18. Januar 1869 und folgenden Tagen war ein Ereignis ersten Ranges im Antiquariats-Buchhandel.

Eine Art Sensation unter den großen in- und ausländischen Bibliotheken riefen ferner die in ihrer Art einzig dastehenden Verzeichnisse ungarischer Literatur, welche das Haus List & Francke ausgab, hervor: enthaltend die Bibliotheken des Archivars Walther und der Herren von Nagy und Bartfay. Es waren dies wohl die ersten bedeutenderen Kataloge, welche in Deutschland über ungarische Literatur veröffentlicht wurden. Dasselbe gilt von einem im Jahre 1874 ausgegebenen antiquarischen Katalog von Büchern in russischer Sprache und Werken über Rußland.

Die außerordentlichen Erfolge welche List erzielte, wurden durch sein ungewöhnliches Gedächtnis unterstützt. So konnte er z.B. oft nach 20 und 25 Jahren noch genau sagen: das vorliegende Exemplar dieses oder jenes Werkes habe ich bereits in Händen gehabt und zu dem und dem Preise in dem und dem Jahre an Herrn X verkauft.

Neben seiner anstrengenden geschäftlichen Tätigkeit fand List noch Zeit, sich sowohl kommunalen wie buchhändlerischen Aufgaben des Gemeinwohls zu widmen. So war er nicht allein Jahre lang im Ausschuß für das Börsenblatt tätig, sondern er ist auch einer der eifrigsten Förderer der Bibliothek des Börsenvereins gewesen. Als Stadtverordneter hat er Jahre lang gewirkt, auch war er als eidlich verpflichteter Taxator bis zu seinem Tode an den Leipziger Gerichten tätig.

1892 schied H. Francke aus der gemeinsamen Firma aus; dafür traten seine Söhne Richard und Reinhold Francke in das Geschäft als Teilhaber ein. Sie sind seit dem am 6. 2. 1892 erfolgten Tode Felix Lists Alleininhaber der Firma List & Francke.

Quellen: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1892 (Hiersemann).

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 4. Berlin/Eberswalde 1907, S. 626-628.
Lizenz:
Faksimiles:
626 | 627 | 628