Caryatiden

[194] Caryatiden. (Baukunst)

Sind in der Baukunst Säulen oder Stützen nach der Gestalt weiblicher Figuren ausgehauen, denen man eigentlich den Namen der Bildsäulen geben sollte, weil sie zugleich Bilder und Säulen sind. Sie sind bey folgender Gelegenheit in die Baukunst eingeführt worden. Weil die Stadt Carya in dem Peloponnesus sich zu den Persern geschlagen, da diese gekommen Griechenland zuerobern, so wurde nach der Niederlage der Perser diese abtrünnige Stadt von den Griechen eingenommen; alle Männer wurden umgebracht, und das weibliche Geschlecht in die Sclaverey verurtheilt. Das Andenken dieser Sache wollten die griechischen Baumeister dadurch verewigen, daß sie Bildsäulen in der Tracht der caryatischen Frauen in den Gebäuden anbrachten, und sie als Sclaven vorstellten, welche die schweeresten Lasten tragen müssen. Sie werden zu Unterstützung hervorstehender Theile, (dergleichen die Balkone oder die Chöre in Musik- und Tanzsälen, erhabenen Gallerien – sind) oder auch wol der Gebälke gebraucht. Insgemein werden sie ohne Aerme, mit einem besondern Putz von geflochtenen Haaren, mit langem dichte an dem Leib anliegenden Gewand vorgestellt. Einige Baumeister setzen sie auf ordentliche Säulenfüße, und legen dorische Capitäle darauf. Das unnatürliche dieser Bildsäulen wird ofte durch die Schönheit der Figuren erträglich gemacht, und nur die edle Liebe zur Freyheit, welche die Griechen belebt hat, kann die Art von Wuth entschuldigen, welche diese Zierrathen eingeführt hat. Eine Nachahmung der Caryatiden sind die Perser, eine andre Art Bildsäulen.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 194.
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