Gekuppelt

[445] Gekuppelt. (Baukunst)

Gekuppelte Säulen nennt man diejenigen Säulen, die so nahe an einander stehen, daß sie mit ihren Captiteelen und Füßen einander berühren. Die alten griechischen Baumeister hatten gewisse Säulenweiten festgesetzt, welche sie für die verschiedenen Fälle, wo Säulen angebracht werden, für die besten hielten. Die geringste war von fünf Modeln, so daß von einem Stamm der Säule zum andern allemal mehr, als eine Säulendike Zwischenraum war. Die gekuppelten Säulen sind also ein Einfall der Neuern.

Vermuthlich sind sie ausgedacht worden, um die Einförmigkeit einer Säulenstellung zu unterbrechen. Die Baumeister mögen gedacht haben, es sey schöner, wenn man anstatt sechs oder acht Säulen in gleicher Weite aus einander zustellen, allemal zwey zusammensetze, und also überhaupt nur drey oder [445] vier Hauptzwischenweiten bekäme. Zwey gekuppelte Säulen stellen alsdenn nur eine einzige vor.

Allein in diesem Fall läßt sich für die Zusammensetzung der Säulen kein guter Grund angeben. Da die Last, nämlich das Gebälke, was die Säulen tragen sollen, gleich ausgetheilt ist, so ist kein Grund vorhanden, warum nicht auch die Säulen gleich ausgetheilt seyn sollten. Zu dem schadet es dem Ansehen einer Säule, wenn eine andre zu nahe an ihr steht. Das Aug wird nicht mehr ruhig auf einer Säule stehen bleiben.

Doch kann es Fälle geben, wo die gekuppelten Säulen eben nicht ganz zu verwerfen sind, sondern wol gar nothwendig scheinen. Nämlich in den Fällen, wo eine Säule die ganze Last nicht tragen könnte, und wo die eingeschränkte Höhe nicht erlaubt, die Säule höher, und folglich diker zu machen. Ein Beyspiel hiervon sieht man an dem Portal des berlinischen Schloßes, das zunächst an der langen Brüke ist. An freystehenden Portalen, wo die Thüren sich blos an Pfeiler anschließen, auf welche man etwa schweere Tropheen setzen, oder die man sonst, in Verhältnis der Höhe, ansehnlich dik machen will, werden auch wol vier Säulen auf einem Postament an einander gekuppelt.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 445-446.
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