Labyrinth

[643] Labyrinth. (Gartenkunst)

Mit diesem Worte, das von ägyptischer Herkunft zu seyn scheinet, bezeichnet man gegenwärtig in Lustgärten einen Plaz, in welchem vielerley Gänge so seltsam durch einander laufen, daß man sich schwerlich aus denselben herausfinden kann. Vor ein paar hundert Jahren waren die Labyrinthe in Lustgärten gemein; izt aber sind sie ziemlich in Verachtung gekommen.

Der Name kommt von einem uralten ägyptischen Gebäude her, das so sehr weitläuftig und mit so mannigfaltigen Gängen und Zimmern angelegt war, daß man sich nicht wieder herausfinden konnte, wenn man sich einmal darin zu weit vertieft hatte. Der Labyrinth in Creta, der durch den Theseus so berühmt worden, wird von den Alten auch für ein Gebäud ausgegeben, das Dädalus nach dem Muster des Aegyptischen soll aufgeführt haben. Es ist aber wahrscheinlicher, daß es eine sehr weitläuftige Berghöle gewesen, wie die Baumannshöle in Deutschland ist. Wär es ein so maßives Gebäude gewesen, wie Plinius vorgiebt, so läßt sich nicht begreifen, warum zu den Zeiten des Diodorus aus Sicilien keine Spuhr desselben mehr übrig gewesen. Also gehört die Erzählung der Griechen von dem von ihrem ersten Baumeister aufgeführten Labyrinth in Creta, unter die Mährchen, dergleichen sie sehr viele ausgebreitet haben, um ihrer Nation die Ehre der Erfindung aller Künste zuzuschreiben.1

1S. Künste.
Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 643.
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