Labyrinth [1]

[13] Labyrinth (ägyptisch-griech.), ursprünglich ein verwickelter Bau mit sich kreuzenden Gängen, vielen Kammern und nur einem oder wenigen Ausgängen, so daß man sich schwer herausfinden konnte; dann eine ähnliche Gartenanlage (Irrgarten) und übertragen soviel wie Irrgang, Wirrwarr. Im erstern Sinne gab es (nach Plinius) im Altertum vier berühmte Labyrinthe: das ägyptische, kretische, lemnische und italische. Das ägyptische L., nach den Beschreibungen von Herodot und Strabon ein ungeheures Heiligtum, lag in der Landschaft Fayum (s. d.). Die Lage des Labyrinths wurde zuerst von Lepsius richtig erkannt, 2 km nördlich vom Dorf Hawâret el Makta'; aber was er für Reste des Labyrinths hielt, sind Häuser römischer Zeit. Die wirklichen Reste des Labyrinths sind erst von Flinders Petrie aufgefunden worden; es ist völlig zerstört, war aber von ungeheurer Größe (1000 englische Fuß lang, 800 Fuß breit). Es ist von Amenemhēt III. erbaut worden (12. Dynastie), den auch Manethos mit seinem Vornamen Lachares (richtiger: Lamares) als Gründer des Labyrinths nennt. Unmittelbar nördlich vom L. liegt die Grabpyramide Amenemhēts III., entsprechend der Angabe Strabons, daß neben dem L. das Grab seines Erbauers gelegen habe. Aus dem Namen dieses Erbauers (Lamares) ist auch der griechische Name L. umgebildet worden. Die Annahme von Brugsch, daß der Name L. vom ägyptischen erpe (Tempel) und lehone (Mündung des Kanals, d.h. desjenigen, der den Nil und Mörissee verband) stamme (also »Tempel an der Kanalmündung«), ist wohl irrig. Vgl. Flinders Petrie, Hawara, Biahmu and Arsinoë (Lond. 1889). – Das kretische L., in der Nähe der Stadt Knosos, der Sage zufolge von Dädalos nach dem ägyptischen erbaut, soll dem Minotauros zum Aufenthaltsort gedient haben. Reste dieses Bauwerks haben sich wahrscheinlich in einer ausgedehnten Palastanlage bei Knosos erhalten, die der Engländer Evans seit 1896 aufgedeckt hat. Ursprünglich trug die darin enthaltene Hauskapelle den Namen L., der später auf den ganzen Palast übertragen wurde, als dessen Gründer nach der Überlieferung König Minos galt (s. Knosos). Auch die unterirdischen Grotten und vielverschlungenen Gänge bei Gortyn auf Kreta führen noch jetzt den Namen L. Das lemnische L., auf Samos, eins der großartigsten Werke der ältern samischen Künstlerschule, war ein künstlicher Bau, dem die Natur jedoch vorgearbeitet hatte. Plinius sah noch Reste davon. Unter dem italischen L. versteht Plinius das riesenhafte Grabmal des Porsena bei Clusium, das in seiner Basis ein verwickeltes System von Grabkammern enthielt; doch sah es Plinius schon nicht mehr selbst. Man hat dieses Grab neuerdings in einem der zahlreichen um Chiusi liegenden Grabhügel erkennen wollen (in dem sogen. Poggio Gajella).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 13.
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