Nachtstük

[803] Nachtstük. (Mahlerey)

Sind Gemählde deren Scene weder Sonne noch Tageslicht empfängt, sondern nur durch Fakeln oder angezündete Lichter unvollkommen erleuchtet wird. In dem Nachtstük werden die Stellen, wo das Licht nicht unmittelbar hinfällt, durch keine merkliche Wiederscheine erleuchtet, es sey denn, daß sie ganz nahe an dem Lichte liegen. Alle eigenthümlichen Farben, deren eigentliche Stimmung von dem natürlichen Tageslicht, oder Sonnenschein herkommt, verliehren sich in dem Nachtstük, das alle Farben ändert. Alles nihmt den Ton des künstlichen Lichtes an, der bald röthlich, bald gelb, bald blau ist, nach Beschaffenheit der Materie, wodurch das brennende Licht unterhalten wird.

Daraus folget, daß das Nachtstük dem Aug durch den so mannigfaltigen Reiz der Farben, nie so schmeicheln werde, als ein anderes Stük; und in der That sind die meisten Nachtstüke so, daß ein nach Schönheit der Farben begieriges Aug, wenig Gefallen daran findet. Ich selbst gestehe, daß ich ein allgemeines Vorurtheil gegen alle Nachtstüke gehabt, bis ich in der Gallerie zu Düsseldorff die fürtreflichen Stüke des Schalken gesehen habe, wo man weder den Reichthum der Farben, noch die Harmonie derselben vermißt.

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Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 803.
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