Verminderter Dreyklang

[1218] Verminderter Dreyklang. (Musik)

Er besteht aus der Octave der kleinen Terz und kleinen Quinte. Diese Quinte kommt allemal in der Molltonleiter von der Secunde zur kleinen Sexte der Tonica vor, z.B. A moll: H-c-d e-f; sie bestehet aus zwey halben Tönen H-c und e-f und zwey ganzen c-d und d-e. An sich ist sie dissonirend, sie wird aber bey diesem Accord als eine Consonanz behandelt, und ist, wie schon anderswo gezeiget worden, von der falschen Quinte, die in dem Quintsextaccord vorkömmt, sehr unterschieden.1 In der Umkehrung wird sie zur großen Quarte, anstatt daß die falsche Quinte zum Triton wird2.

Je näher die kleine Quinte in dem verminderten Dreyklange dem Verhältniß 5:7 kömmt, je besser ist sie in diesem Accord zu gebrauchen, und je weiter entfernt sie sich von dem Klang der falschen Quinte: eben so verhält es sich mit ihrer Umkehrung. Dieses scheint übrigens paradox zu seyn, weil die kleinen Quinten dieser Art in der Umkehrung als große Quarten höher, wie die Quinten selbst, sind. Indessen ist das Gehör in beyden Fällen sehr mit diesen Verhältnissen zufrieden, statt daß alle übrigen, die der Vernunft nach, richtiger zu seyn scheinen, nicht von dieser Würkung sind: in solchen zweifelhaften Fällen ist das Gehör allemal ein besserer Richter, als die speculativischen Zahlenrechnungen oder Linienabzählungen. Unser H-f, das von dem Verhältniß 45:64 ist, klingt als kleine Quinte in dem verminderten Dreyklang am schlechtesten; hingegen vollkommen gut, als falsche Quinte, die die Septime des Fundamentaltones ist; so auch ihre Umkehrung. Die Ursache dieser Verschiedenheiten liegt darin, daß das f gegen der über ihr liegenden Secunde, als Octave vom Grundton, 8:9 ausmacht, folglich dissonirt, und das G des Fundamentalbasses gleich ins Gefühl bringt, wozu noch die reine große Terz und Quinte vom Grundton das Ihrige beytragen; da hingegen von 7 nach 8 keine wesentliche Septime ins Gefühl gebracht wird.

Der Gebrauch des verminderten Dreyklanges ist weit eingeschränkter, als der beyden andern.3 Er kann weder ein Stük anfangen noch endigen. Er hat seinen Siz auf der Secunde der Molltonleiter, und führt am natürlichsten zu dem Accord der Dominante; wenigstens wird dieser Accord bey jeder andern Fortschreitung übergangen, wie z.B.

Verminderter Dreyklang

Zwischen diesen beyden Accorden ist der E duraccord als der Dominantenaccord von A mol übergangen worden.4

Die Verwechslungen des verminderten Dreyklanges sind in der dem Artikel Dreyklang nachstehenden Tabelle unter den Buchstaben k und n angezeiget.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 1218.
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