Bruch, der

[1209] Der Brúch, des -es, plur. die Brǘche, von dem Verbo brechen.

1. Der Zustand, da ein Körper bricht oder zerbrochen wird, so wohl in der mittlern als thätigen Bedeutung des Verbi, in beyden Fällen aber ohne Plural. 1) Eigentlich. Der Bruch eines Beines, der Beinbruch. Die Grube gehet zu Bruche, kommt zu Bruche, im Bergbaue, wenn das Gestein einbricht, und die Grube verschüttet. Bey den Pferdeverständigen wird das Ausfallen der Milch- oder Füllenzähne, oder das so genannte Schieben, zuweilen auch ein Bruch genannt. Der erste Bruch geschiehet, wenn das Pferd zwey oder dritthalb Jahr alt ist. Von der mehrmahligen Wiederhohlung dieses Zustandes sagt man alsdann auch wohl im Plural, das Pferd hat seine Brüche gethan. Übrigens ist das Hauptwort in dieser Bedeutung nur von einem eingeschränkten Gebrauche, obgleich die zusammen gesetzten Abbruch, Aufbruch, Ausbruch, Durchbruch, Einbruch u.s.f. ingleichen Schiffbruch, Wolkenbruch u.s.f. häufiger sind. 2) Figürlich. Der Bruch der Ehe, oder noch häufiger der Ehebruch. Der Bruch des Friedens, des Bundes, der Friedensbruch, Bundesbruch. Es ist zwischen beyden Mächten zu einem Bruche, (nehmlich des Friedens oder der Freundschaft,) gekommen. Diese Zwistigkeiten lassen einen neuen Bruch befürchten. Es muß nothwendig zum Bruche kommen, die Freundschaft muß nothwendig gebrochen werden.[1209]

2. Die dadurch entstandene Öffnung oder Beschädigung. Das Porzellan, der Topf hat einen Bruch. Einen Bruch zustopfen. Der Bruch in einem Damm. Das Zeug bekommt Brüche, wenn es zu lange in Falten lieget. Der Bruch an einem Blatte Papier, die Falte, welche entstehet, wenn es gebrochen wird. Bey den Jägern heißt der Ort, wo wilde Schweine gebrochen, d.i. gewühlet haben, gleichfalls ein Bruch. Der Bruch des Beines, die dadurch verursachte Beschädigung. Im Oberdeutschen ist Bruch oder Neubruch ein urbar gemachtes Feld, welches bisher wüste gelegen hat; novale. Bey den Köhlern heißt der Ort eines Meilers, wo sie angebrochen haben, und die dadurch verursachte Öffnung, der Bruch, welchen Nahmen auch die Öffnungen in der Erde führen, wo man Erze, Steine, Kalk u.s.f. gebrochen hat, wofür doch Erzbruch, Steinbruch, Marmorbruch, Schieferbruch, Kalkbruch u.s.f. üblicher sind. Bey Menschen und Thieren ist der Bruch eine Krankheit des Unterleibes, da ein Theil der Eingeweide verschoben wird, oder durch eine Öffnung der innern Haut hervor bricht, und eine Geschwulst oder einen Sack bildet; Hernia. Einen Bruch haben, bekommen. Den Bruch schneiden, heilen u.s.f. Die Ärzte kennen mehrere Arten dieser Krankheit, daher die Nahmen Blasenbruch, Netzbruch, Hodenbruch, Windbruch, Wasserbruch, Darmbruch, Fleischbruch, Nabelbruch u.s.f. entstanden sind. Wenn ein Stück Hornvieh den Bruch hat, so sagt man im gemeinen Leben es sey weidewund.

3. Der Ort, wo etwas abgebrochen worden. Dahin gehöret vermuthlich die Gewohnheit der Jäger, wenn sie den Ort, wo sie die letzte Spur eines Thieres gesehen haben, wo es sich, folglich befinden muß, einen Bruch nennen; vielleicht weil sie diesen Ort alsdann zu verbrechen, d.i. vermittelst abgebrochener Zweige zu zeichnen pflegen. Figürlich heißen auch an dem Geschütze die beyden Stellen, wo die mittlern Verstäbungen angebracht werden, Brüche; vermuthlich weil die Kanone hier einen Absatz bekommt, und gleichsam abgebrochen wird. In den übrigen Fällen fließt diese Bedeutung mit der vorigen zusammen.

4. Dasjenige, was gebrochen oder abgebrochen wird. So nennen die Jäger einen abgebrochenen grünen Zweig von einem Baume einen Bruch. In der Rechenkunst ist es der Theil eines Ganzen, so fern derselbe durch wenigstens zwey Zahlen ausgedruckt wird, davon die obere der Zähler, und die untere der Nenner heißt. In dieser Bedeutung erhält dieses Wort vermuthlich noch das Andenken der alten einfältigen Art zu rechnen, ehe die heutigen Ziffern üblich wurden, da man statt der Zahlen Späne oder Stückchen Holz brauchte, und die Theile eines Ganzen durch körperliche Brüche an denselben ausdruckte. Daher vermuthlich die figürlichen Ausdrücke, in die Brüche fallen oder gehen, verloren gehen; in die Brüche kommen, bey einer Sache übel fahren. In dem Bergbaue sind Brüche Steine, welche nicht zusammen hängen, sondern in zerbrochenen Stücken liegen.

5. Die Brüche des Mondes, die Mondbrüche, dessen periodisches Zu- und Abnehmen; die Mondswandlungen.

Anm. Bey dem Notker lautet dieses Wort Bruche, bey dem Willeram Bruch, im Nieders. Brake, Bräk, im Dän. Brok. Die Äolier sagten ehedem βρƞγƞ, für ρƞγƞ, ein Bruch, und βρακος, für ρακος, ein Lappen. Das Böhmische Pruch, ein Erdfall, ist wohl durch die Deutschen Bergleute in das Slavonische gekommen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1209-1210.
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