Bruch [3]

[681] Bruch , 1. Knochenbruch (fractura), das Zerbrechen eines knöchernen Theils des Körpers. Am häufigsten meint man damit den der Gliedmassen. Knochen alter Leute brechen leichter als die junger. Man unterscheidet Quer-, Längen- und Schiefbrüche. Einfache sind Knochenbrüche ohne, complicirte mit gleichzeitigen Wunden der Weichtheile. Splitterbrüche (fracturae comminutivae) sind solche, wo der Knochen an einer Stelle in mehrere kleine Theile, oft theilweise selbst zermalmt, gebrochen ist. Die wichtigste Complication der Brüche ist die mit einer gleichzeitigen Luxation (Verenkung). Knochenbrüche als solche gehören an sich nicht zu den lebensgefährlichen Verletzungen, oft sogar zu den unbedeutenden. Die Stärke der einwirkenden Gewalt auf die umgebenden Theile, die Qualität dieser, der Kräftezustand des betreffenden Individuums können dagegen einen Knochenbruch zur lebensgefährlichsten Verletzung machen, die entweder sogleich, wie z.B. der B. der obersten Halswirbel (Genickbrechen) oder durch allmälige Consumption der Kräfte tödtet. Der B. des Knochens heilt durch eine Knochennarbe (Callus). Die Callusbildung geht sowohl von den B. enden als der verletzten Knochenhaut (Bein- und Markhaut) aus. So lange der Knochen nur durch den von der Bein- u. Markhaut neu gebildeten Knochenring umfaßt und gehalten ist, heißt der Callus provisorisch, sind auch die Knochenenden durch Callussubstanz zusammen gehalten. so ist er definitiv. Die allgemeinen Zeichen [681] eines Knochenbruchs sind abnorme Beweglichkeit an der Bruchstelle, Deformität des Gliedes. Unmöglichkeit einzelner normalen Bewegungen, Crepitation (knisterndes Geräusch) an der Bruchstelle. endlich Schmerz; kurze Zeit nach der Entstehung des B.s treten an der B. stelle die allgemeinen Zeichen der Entzündung ein. Die Mittel der Heilung sind die Einrichtung des B.s, wodurch das Glied wieder seine normale Gestalt erhält und nach dieser die Erhaltung des Glieds in dieser normalen Lage. Außer der zweckmäßigen Lagerung gehören die verschiedenen Druck- u. Contentivverbände. Papp- u. Guttaperchaverbände hieher. Die Dauer der Heilung geht von ein paar Wochen bis zu mehreren Monaten. – 2. B. (hernia), das Austreten irgend eines Eingeweides theils durch die normalen, theils durch neu entstandene (abnorme) Oeffnungen des Körpers. Letztere sind die Folgen gewaltsamer Trennung der Hüllen der Eingeweide (Weichtheile, Knochen). Nach den 3 Höhlen des menschlichen Körpers gibt es Gehirn, Brust u. Bauchbrüche. Nach ihrer Entstehung nennt man sie angeborene oder erworbene. nach dem enthaltenen Eingeweide Lungen-, Darm-, Netzbrüche. Von allen Brüchen sind die Bauchbrüche die gewöhnlichsten und unter diesen wieder diejenigen der Leistengegend, weil gerade diese Stellen von Natur aus die Punkte des geringsten Widerstandes bilden. Der wichtigste Unterschied der Eingeweidebrüche liegt in ihrem Verhältniß zu ihren unmittelbaren Hüllen, B.sack und B.pforte. welche Verhältnisse insbesondere es bedingen, ob ein B. in seine ursprüngliche Lage zurückbringbar (reponibel) oder nicht zurückbringbar, eingeklemmt (hernia incarcerata) ist. Die Ursache des Eingeklemmtseins liegt entweder in den Eingeweiden selbst oder seinen B.hüllen. Der Veranlassungen hiezu gibt es unzählige: mechanische Gewalt, Indigestion, Erkältung etc. Die Symptome des Eingeklemmtseins sind außerdem, daß der B. nicht zurückbringbar ist, im allgemeinen die Symptome der Entzündung des eingeklemmten Eingeweides, bei Bauchbrüchen außer dem Schmerz an der Stelle, Verstopfung, Reiz zum Erbrechen, wirkliches Erbrechen, gespannter schmerzhafter Unterleib, Durst, kleiner fieberhafter Puls, zuletzt Kothbrechen, Sinken der Kräfte, Schluchzen, hippokratisches Gesicht. Tod. Außer dem allgemein entzündungswidrigen, krampfstillenden und ausleerenden Verfahren (je nach der Art der Einklemmung) sind es von chirurgischer Seite hauptsächlich der Versuch des Zurückbringens vermittelst der Hand (taxis) oder wo dieses durchaus nicht geht, der B.schnitt (herniotomia), blutige Oeffnung des B.sacks, wo ein solcher vorhanden ist und darauf Erweiterung der B.pforte, worauf sodann das Eingeweide wieder zurückgebracht werden kann. Bei den reponibel Brüchen gebietet die Vorsicht, um sie vor Einklemmung, was immer eine lebensgefährliche Verletzung ist, zu bewahren, dieselbe fortwährend durch ein gutes B.band zurückzuhalten. Die Eigenschaften eines guten B.bandes sind: es muß den B. nicht nur vollständig, sondern auch durch seine Federkraft stark genug zurückhalten, so daß dasselbe bei jeder gewöhnlichen Bewegung und Anstrengung den B. am Austreten verhindert, sodann muß es bequem zu tragen sein. Die Vereinigung dieser beiden Eigenschaften setzt bei gewissen Brüchen dem Arbeiter oft beinahe unübersteigliche Hindernisse in den Weg. Coles in London hat in neuester Zeit ein Bruchband construirt, das alle bisher gekannten Bruchbänder weit übertrifft und überraschende Resultate liefert. Die gewöhnlichsten Unterleibsbrüche sind 1. die äußeren Leistenbrüche, 2. die inneren Leistenbrüche, und 3. die Schenkelbrüche. Nächst diesen sind die Brüche durch den Nabelring (besonders bei Kindern), die Nabelbrüche, die häufigsten. Die sichere Heilung der reponibeln Brüche ist bei Erwachsenen stets noch trotz aller Geheimmittel u. kunstgerechten Proceduren ein pium desiderium (frommer Wunsch).

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Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 681-682.
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