Johann Baptista Kleber

[519] Johann Baptista Kleber, einer der berühmtesten französ. Generale im Laufe des Revolutionskriegs, zu Strasburg 1750 geb., zeigte von Jugend auf viel Unerschrockenheit und Wildheit. Seines Vaters frühzeitig verlustig, wurde er, wegen vieler Verdrüßlichkeiten mit seiner Mutter und ihrem neuen Gatten, zu einem Pfarrer bei Strasburg in Pension gethan, der ihn aber bald wieder zurückschickte. Einige Zeit widmete er sich den Wissenschaften, besonders – vielleicht weil sein Stiefvater ein Baumeister war – der Baukunst, arbeitete als bloßer Handwerker, beschäftigte sich aber dabei immer mit Mathematik und Zeichnen. In Paris sollte er nun seine Kenntnisse erweitern; allein der 16jährige Kleber brachte zwei Jahre daselbst in den größten Ausschweifungen zu, und mußte endlich, da die fernere Unterstützung aus dem elterlichen Hause ausblieb, zurückkehren. Eine ungefähre Bekanntschaft mit einigen nach Strasburg gekommenen Fremden verschaffte ihm, da diese seine Kenntnisse und Talente bemerkten, eine Stelle in der Militairschule zu München. Hier erwarb er sich durch sein Betragen und seine Talente öffentliche Lobsprüche; allein sein Stolz wuchs auch so sehr, daß er, kaum 7 bis 8 Monat Schüler, um eine eben erledigte Vorsteherstelle an dieser Schule – einem Amte, das blos alten Officieren als Belohnung ertheilt wurde – ansuchte. Wegen dieser Insolenz wurde er auf unbestimmte Zeit zum Arrest verurtheilt; allein da eben der östreichische [519] General Kaunitz diese Schule besuchen wollte, so kam Kleber, der einer der vorzüglichsten Zöglinge war, in einigen Tagen wieder in Freiheit. Es glückte ihm, durch Aufstellung seiner besten Zeichnungen Kaunitzs Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen: dieser bewunderte die Plane, fragte nach dem Zeichner, wurde durch den ansehnlichen Wuchs und das kriegerische Ansehn desselben eben so überrascht, als durch seine Antworten befriediget, bewog ihn, nach Wien zu kommen und verschaffte ihm, obgleich nicht Cadet, sogleich eine Lieutenautsstelle bei seinem Regimente. Klebers übertriebene Freigebigkeit und Aufwand warfen ihn bald in Schulden, und auf Anrathen seiner Freunde nahm er endlich, obgleich ungern, nach 8 Jahren seinen Abschied, hatte aber das Glück, als Aufseher der öffentlichen Gebäude in Ober-Elsaß angestellt zu werden, und mehrere schöne Gebäude wurden unter seiner Aufsicht und nach seinen Plänen aufgeführt. Beim Ausbruch der Revolution, die ihn seiner 6 Jahre bekleideten Stelle beraubte, in ihm aber einen sehr feurigen Anhänger fand, ward er Oberadjutant des General Wimpfen und kam bald zur Armee des General Cüstine nach Mainz. Bei der Belagerung dieser Festung nahm er an allen Ausfällen der Garnison Theil und wurde auch unterdessen zum General- Adjutant ernannt. Allein da Mainz doch capituliren mußte, und die wüthenden Jacobiner vom Convent ein Decret wegen Gefangennehmung aller Anführer der Mainzer Armee auswirkten; so wurde auch Kleber, als Führer einer Colonne, bei seinem Einzuge in Nancy verhastet. Merlin, welcher mit Reubel die Belagerung von Mainz ausgehalten, bewirkte endlich die Zurücknahme jenes Decrets; der Convent erklärte sogar, daß die Mainzer Armee sich umʼs Vaterland verdient gemacht habe, und Kleber wurde, um seine ungerechte Verhaftung vergessen zu machen, zum Brigade-General ernannt und in die Vendee geschickt. Auf seinen Rath und nach seinem Plane wurde hier die Schlacht bei Savenay geliefert; er dirigirte die wichtige Expedirion gegen die Insel Noirmoutier, wobei er auch eine bedeutende Wunde in die Schulter erhielt; allein da sein Rath; [520] jetzt gegen die Vendeer gelindere Maßregeln zu ergreifen, kein Gehör fand, so ging er nach Paris zurück, bat um eine andere Anstellung und kam zur Nordarmee. Er schlug am 24. Mai 1794. die Oestreicher bei Merbes le Chateau, und als seine Colonne nebst der Ardennen- und Mosel-Armee bald darauf sich unter dem Namen der Sambre- und Maas-Armee vereinigte, hatte er an den bedeutenden Siegen bei Fleurus und Sprimont (26. Jun und 18. Sept.) sehr starken Antheil. Nach der letztern Schlacht erhielt er den Auftrag, die wichtige Festung Mastricht zu belagern, welche auch am 4. Nov. capitulirte. Man übertrug ihm hierauf die Direction der Blokade von Mainz, allein da der Wohlfahrts-Ausschuß auf seine Vorstellung, wegen des äußerst schlechten Zustandes seiner Truppen, und auf seine Vorschläge deshalb nicht achtete, ging er, unter dem Vorwand einer Krankheit, nach Strasburg und nach einem Monate zur Sambre- und Maas-Armee zurück, bei welcher er das Commando des linken Flügels erhielt, und im September 1795 bei dem Rheinübergange, der Einnahme von Düsseldorf, ferner in den Gefechten von Altenkirchen und an der Lahn, nicht minder im folgenden Jahre durch den Sieg bei Altenkirchen sich auszeichnete, am 14. Juli Frankfurt besetzte und, da er wegen Unpäßlichkeit Jourdans einige Zeit das Obercommando führte, immer weiter in Deutschland vordrang. Allein kaum hatte Jourdan letzteres wieder übernommen, so wurde, da Erzherzog Carl den General Bernadotte bei Teiningen und Neumarkt, und Jourdan selbst bei Amberg geschlagen hatte, die bisher siegreiche Sambre- und Maas-Armee zum völligen Rückzuge genöthiget, der von Seiten des Theils der Armee, den Kleber commandirte, mit der größten Anstrengung durch unwegsame Gebirge geschehen mußte. Das französische Directorium, mißvergnügt über diesen Rückzug, ließ mehrern Generalen dieser Armee seinen Unwillen empfinden. Dies bewog Kleber, seinen Abschied zu nehmen; er behielt jedoch feinen Gehalt als Divisions-General und lebte nun auf einem Landhause bei Paris einige Zeit in der Stille, wo General Moreau [521] bald sein Gesellschafter wurde. Doch die Expedition nach Egypten entriß ihn seiner ländlichen Ruhe. Er erhielt den Antrag, eine Division der Armee vom Orient zu commandiren und er nahm ihn mit Vergnügen an. Daß er auch hier seinen alten Ruhm bewährte, dafür bürgt der Umstand, daß ihn Bonaparte, bei seiner Abreise aus Egypten, am 22. August 1799, zu seinem Nachfolger im Obercommando daselbst ernannte. Kleber setzte die bereits eingeleiteten Unterhandlungen mit dem Großvezier fort, und am 24. Januar 1800 kam der Traetat von El Arisch zu Stande, vermöge dessen die französische Armee Egypten räumen und sich ungehindert nach Frankreich zurück begeben sollte. Allein da der englische Admiral Klebern schriftlich erklärte: daß er die französische Armee nicht anders nach Europa segeln lassen würde, als wenn sie die Waffen strecken und sich zu Kriegsgefangenen ergäbe; so kündigte Kleber sogleich dem Großvezier den Waffenstillstand auf, griff ihn am 19. März bei Matarich (dem alten Heliopolis) an, besiegte ihn völlig, eroberte Cairo, und Egypten war wieder ganz den Franzosen unterworfen. Es ist mehr als wahrscheinlich, daß, wenn Kleber am Leben geblieben wäre, es nicht wieder für sie würde verloren gegangen sein. Allein das Schicksal wollte es anders. Als Kleber am 14. Juni 1800 auf der Terasse seines Gartens in Cairo spatzieren ging und mit dem Architect Protain im Gespräche begriffen war, tödtete ihn ein Türke, Namens Suleymann von Aleppo, (der, wie man sagt, von dem Janitscharen-Aga bei der Armee des Großvezieres zu diesem Morde gereizt war) plötzlich durch mehrere Dolchstiche. – Daß Kleber nicht blos als Krieger, sondern auch als Mensch seine sehr achtungswerthen Seiten hatte, dafür sprechen mehrere Züge, die seine Biographen von ihm anführen. So dachte er zu edel, um die Greuelscenen in der Vendee gut zu heißen, oder gar zu vollziehen; er ließ sich nicht herab, dem Directorium zu huldigen. Noch edler war es, daß, als er gegen seinen vorherigen Ober-General Cüstine zum Zeugen gebraucht wurde, nichts zu dessen Nachtheil sagte, sondern vielmehr dessen Eifer und Unerschrockenheit lobte, [522] und dies zu einer Zeit, wo ein Robespierre am Ruder saß, dem das Lob eines von ihm zum Tode bestimmten Schlachtopfers nichts weniger als gleichaültig seyn konnte, und bei dem vielmehr jede Entschuldigung eines Angeklagten Grund genug war, den, der sie vorbrachte, als einen Mitschuldigen des Angeklagten anzusehen.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 7. Amsterdam 1809, S. 519-523.
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