Beschauung

[237] Beschauung bedeutet eigentlich soviel wie Besichtigung, wird aber vorzugsweise von dem menschlichen Zustande gebraucht, wo der Geist, von äußern Dingen gänzlich abgewendet, sich gleichsam in eine innere Welt zurückzieht und alle Aufmerksamkeit den von der Einbildungskraft hervorgerufenen Ideen und Bildern zukehrt. Namentlich versteht man aber unter Beschauung oder Contemplation fromme Betrachtungen der obigen Art über religiöse Dinge und das Wesen der Gottheit selbst, um sie dadurch gleichsam auf überirdischem Wege zu erfassen, wozu dann der natürliche durch die Vernunft nicht für ausreichend gehalten wird, weil er nur die Erkenntniß des Irdischen zu geben vermöge. Die Geschichte der Religion und Philosophie fast aller Nationen bietet zahlreiche Beispiele von solchen Bestrebungen dar, denen sich auch die christlichen Einsiedler, sowie später Mönche und Nonnen widmeten, von denen man daher sagt, sie führen ein beschauliches oder contemplatives Leben. Nur zu leicht werden dadurch Personen, die weder so völlig beschränkten Geistes sind, um keine Gefahr zu laufen, noch geistige Kraft genug besitzen, ihre Einbildungskraft zu zügeln, zu Frömmelei und Schwärmerei verführt, wovon auch außerhalb der Klöster die Pietisten und Mystiker aller Zeiten Beweise in Menge gegeben haben.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 237.
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