Majorat

[30] Majorat ist diejenige Erbfolgeordnung, welche dem Alter bei der Erbfolge in gewisse Güter (Majoratsgüter) den Vorzug einräumt. Man begreift darunter drei verschiedene Successionsarten, nämlich: die Primogenitur oder das Erstgeburtsrecht, nach welcher jedesmal der Erstgeborene in der erstgeborenen Linie den Vorzug genießt; das Majorat im strengen Sinne, nach welchem unter den dem Grade nach nächsten Anverwandten des Erblassers der Älteste vorgeht, und das Seniorat, welches ohne Rücksicht auf Linie oder Gradesnähe jedesmal dem Ältesten in der Familie das Successionsrecht zuspricht, seiner Unzweckmäßigkeit wegen indeß am wenigsten gebräuchlich ist. Denjenigen, welcher vermöge einer solchen künstlichen Successionsordnung zur Erbfolge berufen ist, nennt man den Majoratsherrn. Nicht alle Besitzthümer des Verstorbenen gehen indeß vermöge dieses Vorzugs auf ihn über, sondern nur diejenigen Güter, welche ausdrücklich mit der Eigenschaft der Majoratsgüter bekleidet sind, das sogenannte Stamm- oder Familiengut; auch erhält der Majoratsherr keineswegs eine Befugniß unbeschränkter Verfügung, seine Rechte beschränken sich vielmehr nur auf die Nutznießung oder die Einkünfte der Güter. Er muß sie seinem Nachfolger unversehrt übergeben und darf sie nicht mit Schulden und Hypotheken beschweren. Den durch ihn von der Erbfolge Ausgeschlossenen wird in der Regel aus den Stammgütern eine gewisse Entschädigung oder Apanage bezahlt. Das Institut der Majorate ist schon sehr alt und verdankt dem Lehnsystem seine weitere Ausbildung. Man verband damit die Absicht, den Glanz der Familie aufrecht zu erhalten, indem man immer einen Repräsentanten derselben in den Stand setzte, aus den Einkünften der Majoratsgüter, die nicht zersplittert werden durften, einen standesgemäßen Aufwand zu machen. Stets war es eine der kräftigsten Stützen des Adels, welcher durch die hier und da erfolgte Abschaffung desselben seine ganze materielle Kraft und einen großen Theil seiner Bedeutsamkeit verloren hat, daher man in Staaten, welche den Adel als die kräftigste Stütze des Throns ansehen, dasselbe möglichst zu erhalten und selbst da neu zu beleben sucht, wo eine fortgeschrittene Zeit es zertrümmert hat. Im Übrigen aber wird es von der Staatswirthschaftslehre und einer gefunden Staatskunst verworfen, da es ein wesentliches Hinderniß einer bessern Bodenbenutzung ist, eine offenbare Härte und Ungerechtigkeit gegen die nachgeborenen Glieder der Familie enthält, den Zufall der Geburt an die Stelle des Verdienstes setzt, dem Staate die Versorgung der Spätergeborenen aufbürdet und dadurch die Erschaffung von Sinecuren und Pfründen, Nepotismus und übergroßen Zudrang anspruchvoller junger Leute zu den Staatsämtern begünstigt. Ohne Weiteres die Aufhebung dieser Institute auszusprechen, würde sich indeß ebenso wenig mit den Foderungen der Gerechtigkeit und Klugheit vertragen; doch gibt es Mittel und Wege genug, um auch diese mittelalterlichen Fesseln allmälig zu lösen und sowol den Majoratsherrn als die vorhandenen Successionsberechtigten durch eine angemessene Entschädigung zufrieden zu stellen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 30.
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