Orestes

[348] Orestes war der Sohn des Agamemnon, Königs von Argos und Mykene und erwählten Heerführers der Griechen vor Troja (s.d.), von dessen Gemahlin Klytämnestra, die ihren Gatten nach seiner Rückkehr von Troja mit ihrem Buhlen Ägisthus im Bade ermordete. Durch seine Schwester Elektra ward O. vor einem gleichen Schicksale bewahrt und bei seinem Oheim Strophius, Fürsten von Phocis, erzogen, mit dessen Sohne Pylades er eine noch sprüchwörtlich berühmte Freundschaft schloß. Nachdem er herangewachsen war, foderte ihn das Orakel zu Delphi zur Rache an den Mördern seines Vaters auf und mit Pylades nach Mykene sich begebend, tödtete er den Ägisth und die Klytemnästra, welche die von ihnen als angeblichen Boten überbrachte Nachricht vom Tode des O. und eine Urne mit dessen Asche, mit unmäßiger Freude aufgenommen hatten. Als Muttermörder aber von den Furien verfolgt, versprach ihm das Orakel zu Delphi Befreiung davon, wenn er die Bildsäule der Diana von Tauris nach Argos zurückbringen werde, wohin er sich denn auch sofort mit seinem Freunde Pylades begab. Dort war es, wo jener berühmte Wettstreit der Freundschaft stattfand, indem einer von Beiden zufolge eines alten Gesetzes als Fremdling der Diana geopfert werden sollte und Jeder für den Andern sterben wollte. Der zum Opfer ausersehene O. ward jedoch von der Oberpriesterin erkannt, welche seine Schwester Iphigenia (s.d.) war, die ihm nun mit dem Bildnisse der Göttin nach Griechenland folgte. Hier machte er sich zum Herrn von Mykene, Argos und Sparta und starb in hohem Alter am Biß einer Schlange. Seine Geschichte ist von den berühmtesten griech. Trauerspieldichtern mehrfach für die Bühne bearbeitet worden.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 348.
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