Philologie

[489] Philologie wird nach dem Griechischen überhaupt das gelehrte Studium gebildeter Sprachen und der darin vorhandenen Schriftwerke genannt, deren gründliches und allseitiges Verständniß ihre Bestrebungen zum Zwecke haben. Vorzugsweise wird aber unter Philologie der Inbegriff jener Kenntnisse und Nachrichten verstanden, welche die Sprachen und auf uns gekommenen literarischen. Denkmale der Griechen und Römer oder des classischen Alterthums, nach allen ihren Beziehungen zu den damaligen Verhältnissen und Zuständen verständlich machen und wofür auch die Benennungen classische Philologie und Philologie der Griechen und Römer üblich sind. Hauptzweige derselben sind Grammatik oder griech. und röm. Sprachwissenschaft im engern Sinne, Hermeneutik oder Auslegekunst und Kritik, an welche sich Mythologie, Geschichte und Alterthumskunde als Hülfswissenschaften anschließen. Nicht bloße Sprachkenntnisse oder todte Gelehrsamkeit und mechanisches Wissen sind daher der Zweck der philologischen Studien, sondern es gilt, eine lebendige Anschauung und Kenntniß des classischen Alterthums zu erlangen, Geschmack und Schönheitsgefühl daran zu bilden und den Charakter der Menschheit in den Verhältnissen der gebildetsten Völker des Alterthums zum Besten der Gegenwart kennen zu lernen. Wer nach einer solchen Bildung strebt oder sie besitzt, wird ein Philolog genannt. Bei dieser vorzugsweisen Beziehung der Philologie auf die griech. und röm. Literatur ist es denn auch geblieben und das Studium der morgenländ. Sprachen pflegt davon ebenso wie das gelehrte Studium der neuern Sprachen oder die Linguistik getrennt gedacht zu werden. Grammatiker und Ausleger ihrer Schriftsteller hatten auch die alten Griechen und Römer, ins Mittelalter hinüber gelangte aber im Abendlande von der classischen Literatur blos, was sich in Klöstern und Stiftern erhielt. Nachdem schon im 11. und 12. Jahrh. die classischen Studien in Italien, Frankreich und England wieder etwas aufgelebt, in der Zeit der Kreuzzüge aber beinahe ganz wieder vergessen worden waren, erwachte im 14. Jahrh. in Italien der Eifer dafür von Neuem und erhielt durch die nach Einnahme von Konstantinopel durch die Osmanen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrh. dahin geflüchteten griech. Gelehrten die kräftigste Unterstützung. Auch die ersten deutschen Philologen, wie z.B. Rud. Agricola, 1442–85, Konr. Celtes, 1459–1508, Joh. Reuchlin, 1454–1521, bildeten sich in Italien aus, im 16. Jahrh. aber ward das philologische Studium in alle Theile des gebildeten Europa verbreitet und ist die Grundlage der gesammten neuern europ Bildung geworden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 489.
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