Sachsenspiegel

[14] Sachsenspiegel ist eine von einem anhaltinischen Edelmanne, Eike von Repgow, zwischen den Jahren 1215–18 veranstaltete Sammlung von deutschen Rechtsgewohnheiten, und enthält vorzugsweise die in dem Theile von Deutschland üblichen Rechte, welchen man im Mittelalter unter dem Namen Sachsen, im Gegensatz von Reich, begriff. Das hereindringende röm. Recht, welches das vaterländische ganz zu unterdrücken drohte, und der Mangel an niedergeschriebenen einheimischen Rechtsnormen erzeugten schon zu Ende des 12. Jahrh. das Bedürfniß solcher Sammlungen. Der Schöppenstuhl in Magdeburg, welcher ein hohes Ansehen genoß, gab das magdeburger Stadtrecht unter dem Namen des magdeburgischen Schöffen- oder Weichbildrechts (auch »Sächsisches Weichbild«) heraus, worin ebenfalls die Grundsätze des sächs. Rechts aufgenommen waren. Es gehören auch noch hierher die görlitzer Handschrift des »Lehnrechts« und das »Schlesische Landrecht« oder der sogenannte »Vermehrte Sachsenspiegel«; endlich die verschiedenen Sammlungen alter Schöppenurthel. Das in den erwähnten Rechtsbüchern enthaltene Recht wird, weil das Ansehen desselben nicht auf die heutigen sächs. Provinzen sich beschränkt, sondern auch außerhalb derselben über einen großen Theil des nördl. Deutschlands (auf der einen Seite bis in die Niederlande, auf der andern bis nach Polen) sich erstreckt, gewöhnlich das gemeine Sachsenrecht oder die landüblichen sächs. Rechte genannt. Fortdauernde unmittelbare Gültigkeit hat aber nur noch der Sachsenspiegel in Sachsen, wo er dem römischen und kanonischen Rechte vorgeht. Da er mehre Grundsätze und Bestimmungen enthält, welche dem kanonischen Rechte und der Macht der Geistlichkeit entgegen sind, so war diese auf sein Ansehen sehr eifersüchtig und der Papst Gregor XI. erließ sogar 1373 eine eigne Bulle gegen ihn. Der Sachsenspiegel umfaßt sowol das öffentliche als das Privatrecht und wird abgetheilt in Land- (drei Bücher) und in Lehnrecht (ein Buch). Die brauchbarste Ausgabe desselben ist die von Gärtner (Lpz. 1732). Nach einer berliner Handschrift hat ihn kritisch bearbeitet Homeyer (Berl. 1827; 2. Ausg. 1835). Von rechtskundigen Männern wurde derselbe vielfach erläutert und glossirt. Einer seiner Glossatoren ist ein märkischer Edelmann, Johann von Buch, welcher auch einen besondern Anhang zum Sachsenspiegel unter dem Titel: »Richtsteig Land- und Lehnrechts«, herausgab. Er beschreibt darin das sächs. gerichtliche Verfahren in Lehns- und Allodialstreitigkeiten. Die neueste und vollständigste Ausgabe davon findet sich in Senkenberg's »Corp. jur. germ. med. aev.« – Ein seiner innern Einrichtung nach, sowie in Ansehung des weit ausgedehnten Gebrauchs, dem Sachsenspiegel ähnliches Werk ist der sogenannte Schwabenspiegel oder das schwäb. Land- und Lehnrecht. Es enthält die im Reiche, in der terra juris Franconici, üblichen Rechte und ist von seinem noch unbekannten Verfasser wahrscheinlich zwischen den Jahren 1268 und 1282 entworfen. Weil aber im südl. Deutschland keine so große Übereinstimmung der Rechte stattfand, als in der terra juris Saxonici, so nahm man sich fast überall die Freiheit, das Werk nach der Local- und Provinzial-Observanz abzuändern und umzuformen, daher bis jetzt nicht einmal bekannt ist, in welcher Gestalt eigentlich dasselbe aus den Händen seines Schöpfers gekommen ist. Die vorzüglichste Ausgabe davon ist die, welche sich im zweiten Bande des schon erwähnten Senkenberg'schen Corpus juris findet.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 14.
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