Zähne

[1011] Zähne, am Anfang des Verdauungsrohres des tierischen Körpers liegende, zur Gewinnung und Zerkleinerung der Nahrung dienende, sehr harte Gebilde. Schon bei niedern Tieren, wie Seeigeln (hier im Kieferapparat, der Laterne des Aristoteles), Insekten (Vorsprünge am Rande der Maxillen), Schnecken (zahlreiche Z. auf der Zunge) etc. vorhanden, treten sie namentlich bei den Wirbeltieren auf, hier nur den Vögeln, Schildkröten, einem Teil der Waltiere und einigen andern Tieren (Ameisenbär, Schuppentier etc.) fehlend. Meist auf die Kiefer beschränkt, doch auch auf allen andern die Mundhöhlen umgebenden Knochen (Gaumen-, Pflugschar-, Flügelbein etc.) auftretend, sind sie kegelförmig, prismatisch, breit scharfrandig oder meißelförmig. Die Z. eines Tieres sind entweder gleichartig (homodontes Gebiß), oder verschiedenartig (heterodontes Gebiß); sie bleiben entweder für das ganze Leben (monophyodonte Tiere), oder werden gewechselt (diphyodonte Tiere). Dieser Zahnwechsel erfolgt entweder nur einmal (die meisten Säugetiere, Mensch, s. unten), oder öfter (Gaumen-Z. mancher Fische). Bei den Säugetieren mit Zahnwechsel wird das Jugendgebiß (Milch-Z., Milchgebiß) durch das Dauergebiß verdrängt. Manche Tiere (Reptilien, Haifische, Elefanten) haben Reserve-Z., die in Tätigkeit treten, wenn vorhandene verloren gehen. Die Z. der Wirbeltiere bestehen meist aus einer verknöcherten (den Dentinteil darstellenden) Papille der Lederhaut, überzogen von einer Absonderung (Schmelz) der Oberhaut, [1011] sitzen entweder nur im Zahnfleisch oder verwachsen mit dem Knochen, oder stecken in diesem in besondern Vertiefungen (Alveolen) oder nebeneinander in Furchen (Zahnfurchen). Die Z. der Säugetiere sitzen stets in Alveolen des Kiefers. Krone heißt der hervorragende, Wurzel der in der Alveole steckende, Hals der vom Zahnfleisch umgebene Teil zwischen beiden. Sind Krone und Wurzel im Bau nicht wesentlich verschieden, so heißt der Z. wurzellos (z.B. bei vielen Nagetieren). Hauptbestandteil des Z. ist das Zahnbein (Dentin), eine Modifikation des Knochengewebes; die Krone ist vom Schmelz (Email), einer porzellanartigen, harten, glatten Masse, die Wurzel vom Zement (Wurzelrinde, Zahnkitt), einer knochenartigen Substanz, überzogen. Zahnhöhle ist die vom Zahnkeim (Pulpa), einer gefäß- und nervenreichen Bindegewebsmasse, ausgefüllte Höhlung im Innern des Z. Einteilung der Z. (nach Gestalt, Funktion und Stellung im Kiefer): Schneide-Z., Z. mit meißelförmiger Krone und einfacher Wurzel, vorn in der Mitte der Kiefer (Zwischenkiefer); Eck-Z. (Spitz-, Hunds-Z., im Oberkiefer Augen-Z. genannt), zu beiden Seiten der vorigen stehend, mit längerer, spitzer Krone und einfacher Wurzel; Back- oder Backen-Z., die übrigen Z. auf beiden Seiten. Diese 3 Arten der Z. stehen entweder in ununterbrochener Reihe nebeneinander oder sind durch zahnlose Stellen voneinander getrennt. Die hintern Back-Z., mit mehrhöckeriger, breiter Krone und 2-3 Wurzeln, fehlen dem Milchgebiß und heißen wahre Back-Z. (Molaren, Mahl- oder Stock-Z.) im Gegensatz zu den dem Zahnwechsel unterworfenen vordern oder falschen Back-Z. (Prämolaren oder Bikuspidaten), mit nur einer oder zwei Wurzeln. Besondere Zahnformen: die als Waffe dienenden Stoß-Z., hervorgegangen aus Eck-Z. (Schwein, Walroß etc.) oder Schneide-Z. (Elefant), und die durch scharfzackige Krone ausgezeichneten Reiß-Z. (gewisse Back-Z.) der Raubtiere. Zusammensetzung des Gebisses für die Systematik wichtig, deshalb bedient man sich dafür der Zahnformeln (s. Gebiß). – Der erwachsene Mensch hat 32 Z., jederseits oben und unten 2 Schneide-, 1 Eck-, 5 Back-Z. (2 Prämolaren, 3 Molaren). Dem vom 7. Monat bis gegen Ende des 3. Lebensjahres (erste Dentition, s. Zahnen der Kinder) zum Vorschein kommenden Milchgebiß fehlen die Molaren; es hat nur 20 Z. Auf die im 7. bis 8. Jahre ausfallenden Milch-Z. folgen in der bis zum 13. oder 14. Jahre dauernden zweiten Zahnausbruchsperiode (zweite Dentition) die definitiven Z. bis auf den hintersten Back-Z.; diese 4 Back-Z. (Weisheits-Z.) brechen erst zwischen dem 20. und 30. Jahre oder auch gar nicht durch. Über Zahnkrankheiten s.d. – Vgl. Bödecker (deutsch 1896), Jung (1898), Kronfeld (1903), Werkenthin (3. Aufl. 1905), Günther (1906).

Künstliche Z. als Ersatzmittel der verloren gegangenen natürlichen Z. wurden früher aus Elfenbein und Menschen-Z. hergestellt, jetzt werden sie aus Mineralien (Kieselerde, Feldspat und Porzellanton) durch Brennen und Überziehen derselben mit Glasur (Email- oder Mineral-Z.) in Amerika und England, in Deutschland in Pforzheim fabriziert. Bei noch gesunden Wurzeln der Vorderzähne werden sie mit Hilfe von Zement durch Stift und Wurzelkappe aus Metall (Gold, Platin, Zinn, Viktoriametall) oder Kautschuk in diesen Wurzeln befestigt (Stift-Z.), oder sie werden an Gaumenplatten aus Gold, Aluminium, Kautschuk, seltener aus Zelluloid, angebracht. Diese Gaumenplatten halten im Munde entweder durch Goldklammern, bei kleiner Platte, oder durch den Luftdruck (Adhäsions- oder Saugegebisse), und dann ist große Platte nötig. Die Gaumenplatten müssen täglich aus dem Munde genommen und gereinigt werden. In neuerer Zeit werden als festsitzender Ersatz auch Kronen (Goldkronen) und Brücken (Zahnbrücken) ohne Gaumenplatte (Z. ohne Platte) verwendet. Erstere sind Goldkappen über noch vorhandene stabile Wurzeln der Backen-Z., letztere Mineral-Z. oder ganz aus Gold geformte Z., die zwischen Kronen- oder Stift-Z. gelötet sind, eine Hängebrücke zwischen zwei stabilen Pfeilern. – Vgl. Riegner, »Kronen- und Brückenarbeiten« (1895); Parreidt, »Zahnersatzkunde« (3. Aufl. 1903); Detzner, »Praktische Darstellung der Zahnersatzkunde« (3. Aufl. 1905).

Quelle:
Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 1011-1012.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: