Agnes, Tochter K. Heinrich's IV.

[106] Agnes, Tochter K. Heinrich's IV., mit seiner ersten Gemahlin Bertha erzeugte Tochter, war durch ihre Schönheit und Tugend ebenso bewundert als geliebt. Als Preis der Tapferkeit erhielt Friedrich von Hohenstaufen, Herzog von Schwaben, weil er Heinrich IV. gegen Herzog Rudolph von Schwaben, der sich zum Kaiser aufgeworfen hatte, so tapfer beigestanden, ihre Hand, und wurde im Jahre 1089 mit ihr vermählt. Sie gebar ihm l090 Friedrich, Herzog von Schwaben, nachmaligen Vater Kaiser Friedrich's I, im Jahre 1093 aber Konrad III., welcher 1139 nach Lothar, Grafen von Supplinburg, den Kaiserthron bestieg. Im Jahre 1105 wurde sie Witwe, allein im folgenden Jahre erwählte Markgraf Leopold IV. von Oestreich, der Gottesfürchtige oder Heilige genannt, sie zu seiner Gemahlin. Bald nach seiner Vermählung stand er mit ihr auf seinem Schlosse Calenberg bei Wien am offenen Fenster, und unterredete sich mit ihr wegen der Stelle, worauf er Gott zu Ehren und seiner glücklichen Verbindung zum Gedächtnisse, ein Kloster und eine Kirche zu erbauen beschlossen hatte. Noch nicht entschieden, wo er diesen frommen Bau begründen werde, erhob sich der Wind, und nahm von dem Haupte der Fürstin den Schleier hinweg, ihn wie ein lichtes Gewölk von dannen wehend, so daß man ihn schnell aus den Augen verlor. Da, wo man ihn wiederfinden werde, gelobte Leopold der Heilige, der in diesem Vorfalle einen höhern Wink zu verehren schien, sollte der Bau beginnen. Man sandte Boten aus, die aber alle ohne den Schleier wiederkehrten, der spurlos[106] verschwunden war. Fast neun Jahre nachher fand man ihn unversehrt im Walde an einem Hollunderstrauche hängen, und nun erfüllte der Markgraf sein Gelübde, ließ den Wald lichten, und erbaute auf derselben Stätte, wo man das Wahrzeichen gefunden, das berühmte Kloster Neuburg an der Donau. Agnes gebar ihrem Gatten achtzehn Kinder, von denen sieben, nämlich zwei Prinzen und fünf Prinzessinnen, in der Kindheit starben. Von den übrigen aber bestiegen mehrere den glänzendsten Thron ihrer Zeit, und sie war es, die durch diesen reichen Ehesegen die beiden alten fürstlichen Stämme, Oesterreich und Schwaben zu der höchsten Blüthe bringen half.

A.

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Damen Conversations Lexikon, Band 1. Leipzig 1834, S. 106-107.
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