Margarethe von Valois, Tochter Heinrichs II.

[62] Margarethe von Valois, Tochter Heinrichs II. , die Tochter eines weiblichen Ungeheuers, der in der Geschichte gebrandmarkten Katharina von Medicis (s. d.) und des Heinrich II. von Frankreich, wurde 1552 geb. Es springt in die Augen, was bei dem Vorbilde einer solchen [62] Mutter, in der Mitte eines entsittlichten Hofes, im Rausche frivoler Feste aus dem zarten Mädchen werden mußte, dem die Natur Schönheit, Geist und Gutmüthigkeit gegeben hatte. Um den Bürgerkrieg zu stillen, der Frankreich zerfleischte, um die Partei der Hugenotten zu versöhnen, ward sie, zwanzig Jahr alt, an den Prinzen von Béarn, später Heinrich IV. (s. d.), vermählt. – Heinrich konnte seine königliche Gattin nicht achten; sie war zwar schön, sie prangte in der Fülle aller Reize, aber es fehlte ihr der edelste weibliche Schmuck, die Sittsamkeit. Das Herz, das liebreiche, kokette, treulose Herz gehörte schon in der Stunde, wo der Priester den Ehesegen über beide fürstliche Häupter sprach, dem jungen, galanten Herzog von Guise. Und Heinrich wußte dieß und suchte Trost und Entschädigung in den Armen seiner Geliebten, der schönen Gabriele. War inzwischen Margarethe auch leichtsinnig, treulos, so war sie doch auch gutmüthig; sie hatte Nichts von dem Nattergifte ihrer Mutter im Herzen – sie rettete den Gemahl in der »Bluthochzeit« (s. d.), indem sie ihn nicht ohne Lebensgefahr zur rechten Zeit verbarg. – Das Einverständniß der beiden Gatten konnte keineswegs ein erfreuliches sein und Margarethens Bruder, der König Karl IX., mißbilligte selbst ihren sittenlosen Lebenswandel; allein alle Ermahnungen waren vergeblich und als Heinrich vom Papst Sixtus mit dem Banne belegt wurde, benutzte sie diesen Umstand als Vorwand, sich den Ehefesseln zu entziehen und floh nach Aachen. Hier sank die Königstochter so tief, daß man sie, ihrer Sittenlosigkeit wegen – vertrieb! – Margarethe führte jetzt lange Zeit ein unstätes, abenteuerliches Leben. Endlich wurde sie festgenommen und in das feste Schloß Usson eingesperrt. Hier hatte sie Muße, über ihren Lebenswandel nachzudenken, aber sie benutzte sie nur, um durch das Aufgebot aller buhlerischen Künste den Commandanten der Festung, Canaillac, zu gewinnen. Und es gelang ihr und sie ward Herrin der Burg und trotzte Heinrich und ihren Anverwandten. – Karl IX., der bleiche, schwindsüchtige,[63] von seiner Mutter hingeopferte, königliche Henker der Bartholomäusnacht, starb; ihm folgte der gleichgesinnte Bruder, Heinrich III. Auch ihn züchtigte die Nemesis durch ein frühzeitiges Ende. – Heinrich, bestieg als der Vierte seines Namens den Thron des heil. Ludwig's, und nun konnte er freier walten und sich einer eben so lästigen, als schmachvollen Fessel entledigen. Er ließ Margarethen den Vorschlag machen, ihre Ehe zu trennen. Nach mannichfachen Gelderpressungen willigte sie ein – man bezahlte ihre ungeheueren Schulden und setzte ihr eine glänzende Apanage aus. – Der neue Papst Clemens IX. gestattete die Scheidung 1599 und M. verließ Usson und ging nach Paris. Hier erbaute sie sich ein prächtiges Hotel, versammelte um sich die berühmtesten Gelehrten und Künstler, schrieb, dichtete, gab prächtige Feste und unterstützte darbende Genies mit fürstlicher Großmuth. Sie war die hochgebildetste Frau ihrer Zeit, reich an Herzlichkeit, Verstand und Wissen – und sie documentirte dieß, nachdem die Jugend hinter ihr lag und die Rosen von den schönen Wangen gefallen waren. – In ihren letzten Lebensjahren suchte sie Trost in den Armen der Frömmigkeit – sie stiftete das Kloster »des petits Augustins« und starb 1615. Ihr Herz bestattete man in der Kirche des genannten Klosters. – Die neue Generation hatte sich mit ihren frühern Vergehen ausgesöhnt und man blickte nicht ohne Theilnahme und Rührung auf ihren Leichenstein. – Sie war der letzte Sprößling des Hauses Valois und würde gewiß, unter anderen Verhältnissen geboren, ein ehrenderes Andenken verdient haben, als das ist, ein Opfer der Verführungen ihrer Zeit und Umgebung gewesen zu sein.

–n.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 7. [o.O.] 1836, S. 62-64.
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