Charrière, Madame

[342] Charrière, Madame, Madame de St. Hyacinthe de, stammte aus einer angesehenen holländischen Familie und war im Haag erzogen worden. Von jeher den rauschenden Vergnügungen der großen Welt, in der sie erzogen war, abgeneigt, folgte sie um so lieber Herrn[342] von Charrière, der um sie warb, nach dessen Landgute in der Nähe von Neufchatel. Sie brachte daselbst ihr ganzes Leben, mit Ausnahme eines Aufenthalts in Paris unter den angenehmsten Verhältnissen zu; war von ihrem Gatten geliebt, von ihren Angehörigen geachtet, von einer reizenden Natur umgeben, und obschon weit entfernt von den Ansprüchen einer gelehrten Frau, so waren doch Musik und die Wissenschaften ihre Lieblingsbeschäftigungen geworden. Auch ihren literarischen Produkten theilte sich ein wohlthuendes Gepräge jener ruhigen Philosophie und jenes eingebornen Friedens mit, die in ihr neben der strengsten Tugend und einem unerschütterlichen Pflichtgefühl wohnten; leider blieben mehrere ihrer Werke unvollendet. Den ersten Platz unter denselben verdient der Roman: »Calliste« oder »Lettres écrites de Lausanne« neben diesen ist auch der zweite »Mistress Henley, lettres neufchatelloises« bekannt und beliebt geworden. Zuletzt erschienen von ihr »Oeuvres de l' abbée de la Tour« in 3 Bänden, mehrere kleine Erzählungen enthaltend. Lesenswerthe Briefe an Herder, der Einzelnes von ihr übersetzt hat, finden sich in dessen Nachlasse im 2. Bande. Frau von Charrière starb 1806 in ihrem 60. Jahre auf ihrem Landgute.

B.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 2. Leipzig 1834, S. 342-343.
Lizenz:
Faksimiles:
342 | 343
Kategorien: