Christoph, Madame

[399] Christoph, Madame, Exkaiserin von Haiti, war die Gemahlin Christoph Henri's, eines Sklaven auf St. Domingo, der während des Negeraufstandes daselbst die Partei der Schwarzen ergriff, sich durch Tapferkeit auszeichnete, bis zum Brigadegeneral stieg, nach Dessalines's Tode Präsident, 1811 aber sogar unter dem Namen Heinrich I. Kaiser von Haiti wurde. 1822 wurde er nach einer sehr verständigen Regierung bei einem Aufstande von seiner eigenen Armee entthront und tödtete sich, da ihn Krankheit an sein Lager fesselte, und er den Empörern nicht entgegen treten konnte, durch einen Pistolenschuß. Mad. Christoph, die ihrem oft heftigen, zur Willkür geneigten Gemahl eine milde, sanfte und liebende Gattin gewesen, trat vom Throne herab in die bescheidenen Kreise des Privatlebens. Sie verließ Amerika, wo Alles sie schmerzhaft an die Größe ihres Verlustes erinnerte, und ging mit ihren beiden Töchtern nach Europa, wo sie in Livorno unter Italiens mildem Himmel ein Asyl fand. Vor einigen Jahren brachte sie einen Winter in Dresden zu, und erwarb sich daselbst durch Bildung, Geist und Anstand die allgemeinste Theilnahme. Besondere Auszeichnung widerfuhr ihr und ihren liebenswürdigen Töchtern, von welchen die jüngere durch ihre Gedichte in französischer Sprache einen schönen Beruf zur Poesie beurkundete, im Hause der edlen Fr. v. d. Recke und des gemüthvollen Uraniasängers Tiedge. Bei geringen äußern Reizen, welche zwei junge Negerinnen in den Augen eines Europäers haben mögen, erwarben sich die Töchter der Mad. Christoph durch Grazie, Geist, Anmuth und Lebhaftigkeit der Unterhaltung die aufrichtige Huldigung derer, welche die Güter der Seele höher zu schätzen wissen, als die zufällige Gabe der Schönheit. – Da das Klima Dresdens der Gesundheit der Damen nicht zusagte, so kehrte Mad. Christoph wieder nach Livorno zurück, wo sie aber den Schmerz hatte, ihre älteste Tochter bald durch den Tod zu verlieren.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 2. Leipzig 1834, S. 399.
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