Feen, Feenwesen

[93] Feen, Feenwesen. Der Glaube an Feen, als an überirdische, ätherische, oft in freundliche oder feindliche Berührung mit den Menschen tretende Wesen ist dem an Elfen, Kobolde, Nixen, Berggeister u. dergl sehr nahe verwandt, ja er fällt in mancher Beziehung mit diesem ganz zusammen, bildete sich aber in verschiedenen Ländern verschieden aus. Der glühende Orient sandte uns auch diese zarte Blüthe, dem mährchenhaften Boden Persiens und Arabiens entsproßt. Die persischen Peris, lichtgeborne Geister aus dem innersten Wesen des Ormuzd, sind es wohl vor allen, denen die spätere Romantik die Feen nachbildete; diese herrschten in dem[93] glückseligen Zauberreiche Dschinnistan in Pracht und Fülle, geschmückt mit unsaglichen Reizen, dabei gütig, liebevoll, weise und hilfreich, und so übertrugen die Araber die Mythe in ihre Erzählungen und Mährchen, bildeten sie fort, und schilderten die Feen oder Dschinnen in steten Beziehungen zu der Menschenwelt. Es gab gute und böse, (die persischen Divs) welche den urzeitlichen Kampf zwischen Ormuzd und Ahriman, Licht und Finsterniß, fortführten, doch siegten immer die Guten über die Bösen, wenn auch nach mancher Qual und Erduldung. Die Feen der Araber sind der menschlichen Natur mehr genähert, als die der Perser, sie lieben, sie leiden menschlich, ja sie vermählen sich mit ihren Lieblingen, und pflanzen ihr Geschlecht fort. Den Kindern einer Fee blieb aber immer noch etwas von ihrer ätherischen Natur, und sie waren in manchen Dingen besonders begünstigt. Auch die Eigenschaft, sich in Schlangen verwandeln zu können, besaßen sie, wovon die französische Romantik in der Sage von der Zauberfrau Melusina noch ein Beispiel aufbewahrt, und davon auch noch deutsche Sagen von Zauberjungfrauen nachklingen. Frühzeitig fanden die holden arabischen Mährchen den. Weg nach dem Westen Europa's, durch die Mauren in Spanien, dann durch die Kreuzzüge, und mit der höchsten Blüthe des Ritterthums und der Minne flocht sich auch das Feenwesen in den Kranz der Dichtungen des Mittelalters ein. Frankreich und Großbritannien pflegten mit gleicher Liebe das Wunderkind, wie sich aus den schönen Dichtungen Lancelos vom See, Tristan, Sir Launfal, Parthenopex de Blois, Huon de Bordeaux, wonach Wieland seinen Oberon dichtete, und vielen andern ergiebt. Oberon, der Zwerg, war ein Kind, das die Feen bei der Geburt schon mit herrlichen Dingen begabt. Doch tritt bei ihm nun das Zwerg- und Elfenwesen in den wunderbaren Feenkreis, das dann auch in altdeutschen Dichtungen, im Heldenbuch, Otnit, Zwergenkönig Laurin, gehörnten Siegfried u. a. sich bedeutsam geltend gemacht. Paradiesisch wird das Land der Feen[94] geschildert, jenem persischen Dschinnistan gleich an Reiz, dabei heimlich, unzugänglich, durch Blendwerke unsichtbar gemacht. Es ist ein Reich, nicht von dieser Welt, und so wenig irgendwo auf Erden zu finden, als die elysäischen Felder und das Eden der ersten Menschen. In den Werken der italienischen Dichter tritt auch das Feenwesen als kräftig wirksame Maschine hervor, namentlich in den Dichtungen des Ariost; in Deutschland ist nur wenig davon in den Volksglauben übergegangen, hat aber hier gleich den düstern Charakter angenommen, der unserer Sagenpoesie so eigen ist. Es sei nur an Frau Holle, oder Hulda, die wilde Jägerin, erinnert. an jene verzauberten Jungfrauen, die um Erlösung zu finden, Küsse verlangen, sich aber unter den Küssen in schreckliche Drachen verwandeln. Am Untersberg bei Salzburg erzählen die Umwohner viel von den wilden Frauen, die aus dem Berge kommen zur Zeit der Aehrenschneidung, und Hilfe leisteten, die aber auch gern Kinder raubten, und im Oetzthal in Tyrol gibt es eine schone Sage von drei Zauberschwestern, die auf unzugänglicher Alpentrift hausen, die Gemsen hüten und schützen, in Gestalt von Lämmergeiern sichtbar werden, und unter dem Namen der seligen Fräulein bekannt sind. –ch –

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Damen Conversations Lexikon, Band 4. [o.O.] 1835, S. 93-95.
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