Gastein

[320] Gastein. Mitten in dem an pittoresken Naturschönheiten[320] so reichen Salzburg, liegt das von den Römern und König Theodorich schon gekannte, seit Jahrhunderten wegen seiner großen Heilkräfte berühmte Gasteiner Wildbad, umgeben von einer durch wilde Größe wahrhaft erhabenen Natur. Zwischen Felsen eingeengt braust mit donnerndem Getöse der Achefall, einer der schönsten Wasserfalle, 630 Fuß hoch herab, und an der über ihn gebauten Brücke liegen die Wohn- und Badehäuser des am Rande des Falles ärmlich gebauten kleinen Dorfes. Das Schloßgebäude mit dem von Serpentinstein ausgelegten Fürstenbade ist nur für hohe Kurgäste bestimmt. Ihm gegenüber liegt das im tyroler-schweizer Geschmack erbaute geräumige Straubinger Haus, mit zwanzig Wohnzimmern und fünf unterhalb der Brücke am Wasserfall befindlichen Bädern, das Herren- und Fürstenbad für Vornehme, das Gemeinbad für Arme. Am Schlosse sind die sogenannten neuen Bäder angelegt worden, zu welchen ein Gang aus dem obern Stockwerke führt. Die aus dem Graukogel entspringende Fürsten-, Doktors-, Franzens- und die untere Quelle geben ein alkalisch-salinisches Heilwasser von 38 R., von reiner Farbe, stechend bitterlichem Geschmack, das bei trockner gar nicht, bei feuchter Witterung nach geschwefeltem Wasserstoffgas riecht. Welke Blumen erholen sich schnell zur alten Frische und Knospen blühen in sehr kurzer Zeit darin auf. Außerordentlich kräftig wirkt es in Lähmungen, nach nervösen Schlagflüssen, bei großer Schwäche, nach dem Verlust edler Säfte, bei Hypochondrie und Hysterie etc. Der sehr beschränkte Raum erlaubte keine Anlagen, die auch unnöthig sind, da die Natur dort der Kunst zuvorkam. Ein kurzer Weg aufwärts führt nach der Schreckbrücke, dem Decksteiner Thale, dem Dorfe dieses Namens mit dem Vikariat und der Silberhütte, dem herrlichen Schleier-, Kessel- und Bärfall, dem Nahtfelde, einem reizenden Alpthale, dem schneebedeckten Radhausberge, auf dem man die schneebedeckten Alpen von Salzburg, Kärnthen und Steiermark und die alte Burg Klamstein sieht. Wer diese Gegenden nach einem [321] Gewitter sah, wo alle Bergbäche und Wasserfälle, riesig angeschwollen vom Regen und ewigen Schnee, ungeheure Wassermassen hinabrollen, der muß von Bewunderung und Staunen hingerissen werden.

D.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 4. [o.O.] 1835, S. 320-322.
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