Telegraph

[56] Telegraph, der leblose Dolmetscher des geflügelten Wortes, der Träger jener neuentdeckten Schnellschreibekunst in der Luft, mit der man urplötzlich der Ferne seine geheimen Nachrichten leserlich mittheilt, – die von den Gebrüdern Chappo zuerst 1791 im Departement der Sarthe in Anwendung gebrachte Maschine, welche mittelst sichtbarer Figuren die Gedanken signalisirt. Bald wurde die Nützlichkeit der neuen Erfindung anerkannt, und schon am 4. August 1793 beschloß der Nationalconvent zu Paris die Anlegung einer Telegraphenlinie von Paris nach Lille. Um eine solche herzustellen, wählt man von Distanz zu Distanz gewisse hohe Punkte als Zwischenstationen, und legt Gebäude daselbst an oder benutzt die vorhandenen, um die Maschinen so unterzubringen, daß sie von den[56] zwei benachbarten Stationen gesehen werden können. Der T. selbst besteht aus einer 12 F. hohen eisernen Stange, auf welcher sich ein eiserner Wagebalken von 9 F. Lange und 1 F. Breite in einer Verticalfläche im Mittelpunkt um die Axe dreht. An den beiden Enden dieses Balkens sind wiederum zwei, 6 F. lange und ebenso breite eiserne Lineale befestigt, welche sich ebenfalls vertical um das eine Ende drehen. Diese Arme, nebst dem Hauptbalken, können nun auf verschiedene Weise ausgestreckt und eingezogen, und so ebensoviel verschiedene Signale, Buchstaben, Worte etc. mitgetheilt werden. In seiner Ruhe, wenn beide Arme eingeschlagen sind, bildet der T. die Figur eines T. Von den Balken gehen Schnuren in ein besonderes Cabinet unter dem T., von wo aus man ihn an denselben mit großer Leichtigkeit dirigirt. Der Raum zwischen den einzelnen Stationen beträgt durchschnittlich 3 Stunden. Auf jedem Posten braucht man 2 Männer, die zur bestimmten Stunde die Wache haben; zugleich hat ein eigener Inspector stets Acht auf die Maschinen, wie auf die sie besorgenden Leute. An den beiden Enden der Linie finden sich zwei Uebersetzer, welche allein die Bedeutung der Zeichen kennen und die Reihe der Signale angeben. Diese Bedeutung kann sehr leicht geändert werden; auch kann man die Befehle direct absenden, ohne daß sie den Uebersetzern verständlich sind, wenn man sich hierüber mit dem vereinbart hat, den sie angehen. Gewisse Zeichen sind jedoch allen Telegraphenbeamten bekannt, um im Nothfall Nachrichten ungehindert auf der ganzen Linie verbreiten zu können. Jedes Zeichen wird von einem jeden T. dem vorhergehenden auf der Linie schnell und treu nachgeahmt; zu diesem Zwecke beobachten 2 Personen die beiden nächsten T. durch fest auf sie gerichtete, in der Mauer befestigte Teleskope und ein dritter schreibt die Signale auf. Die Arme des T. können so gestellt werden, daß sie 256 Signale geben, und seine Stärke und Festigkeit setzt ihn zugleich in den Stand, den heftigsten Stürmen zu trotzen. Jedes Signal dauert im Durchschnitt 10–20 Secunden, [57] und die Schnelligkeit, womit die T. die Nachrichten befördern, ist so groß, daß man z. B. in Paris Nachrichten von Lille (60 Stunden) in 2 Minuten haben kann. Eine Kanonenkugel würde den Raum nicht schneller durcheilen können als das Signal. Natürlich unterbrechen Regen, Nebel und sehr dicke Luft die Communication; doch bietet die Nacht kein Hinderniß bei den Nachttelegraphen, wo man mit an den Hauptpunkten des T. angebrachten Laternen signalisirt. Das bisher Gesagte gilt übrigens nur von den französischen T., nicht aber von den englischen, die wesentlich von jenen verschieden, aus einem thürartigen, der Länge nach in 3 Abtheilungen getheilten Gerüste bestehen, in deren mittelstem sich die den T. leitenden Schnuren über Rollen bewegen, während in den beiden andern sich 6 achteckige Klappen um ihre Axe drehen, und so stehend und liegend, durch ihre verschiedene Stellung und Lage die Signale geben. Auch Preußen hat jetzt eine Telegraphenlinie zwischen Köln und Berlin errichtet, und selbst Privattelegraphen hat man vorgeschlagen und angelegt. In neuester Zeit ist auch die Rede von magnetischen T. gewesen, wo elektrische Drähte von einem Orte zum andern unterirdisch gezogen werden sollten, vermittelst deren man, ungehindert vom Wetter und andern Unterbrechungen, sowie überhaupt weit vollständiger, die Gedanken und Nachrichten einander communiciren dürfte.

4.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 10. [o.O.] 1838, S. 56-58.
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