Westindien

[425] Westindien, jener herrliche Inselarchipel, welcher sich von der Ostküste Florida's und der Nordostküste Mexico's südöstlich und zuletzt südlich an den Küsten Guajana's hinzieht und durch seine Lage, Schönheit und Fruchtbarkeit unstreitig der interessanteste Punkt der ganzen Erde ist. Wahrscheinlich bildet die ganze Inselreihe nur den Rest eines untergegangenen Länderstrichs, der von der Bank von Neufundland bis zur Ostküste Brasiliens reichte, mithin Südamerika an Größe nicht nachstand. Das tropische Klima und der fruchtbare Boden erzeugen meist alle Produkte Südamerika's und des nahen Mexico's, besonders aber Kasse, Zucker, Baumwolle, Tabak, Indigo, Gewürze, seine Holzarten etc. in ungeheueren Quantitäten. Bataten, Ananas, Pisang, Cocosnüsse etc. lassen die hier häufig ausartenden europ. Früchte vergessen; die Luft wimmelt von Papageien, Colibris und andern prachtvoll gefiederten Vögeln, aber auch von Termiten, Moskitos etc.; giftige Schlangen finden sich nur auf einigen Inseln, desto mehr Schildkröten, Kaimans, Affen etc., außer den überall fortkommenden, aus Europa verpflanzten, Thieren. Berg- und Ackerbau wird wenig betrieben, weil der gewinnreichere Anbau der sogenannten Kolonialwaaren jeden fruchtbaren Fleck in Anspruch nimmt; die deßhalb nöthige Einfuhr von Mehl, sowie von fast allen Fabrikgegenständen, ist indeß gegen die kolossale Ausfuhr der genannten Hauptprodukte wahrhaft unbedeutend. Dem ankommenden Nordländer erscheint Westindien als ein Paradies; mit eben so großem Rechte kann es aber auch das Grab der Europäer genannt werden. Giftige Fieber, unter ihnen das gelbe, zerstören schnell den Keim des Lebens und der Gesundheit; die heftigen Tropenregen,[425] stagnirenden Sümpfe, der Plantagenbau etc, entwickeln Keime der Zerstörung. Furchtbare Orkane drohen oft die Inseln selbst in das Meer zu begraben, und der Europäer hilft durch seine Lebensweise die Uebel des Klima's nur noch verderblicher machen. Bei alledem lockt die für den Handel so vortreffliche Lage, der reiche Ertrag des Bodens, die Fülle aller Naturgaben und die Schönheit des Landes immer neue Ankömmlinge hierher, so daß auf den 4700 Quadrat M jetzt gegen 3¼Mill. Bew., wovon über 2½ Mill. Negersclaven, freie Neger und Farbige, leben. Columbus (s. d.) fand 1492, als er W. entdeckte, fast alle Inseln bewohnt, doch sind jene Ureinwohner bis auf einige Reste auf Trinidad und St. Vincent gänzlich vertilgt. Gewöhnlich theilt man die ganze Inselwelt in die Bahamas (s. d.), die vier großen und vielen kleinen Antillen, unter welchen letzteren alle übrigen Inseln verstanden werden; davon gehören den Spaniern: Cuba (s. d.) und Portorico, zwei der großen Antillen, ferner die Passage-, Schlangen- und Krabbeninsel; den Franzosen: Guadeloupe (s. d.), Desiderade, Marie galante, les Saintes, Martinique (s. d.) und ein Theil von St. Martin; den Niederländern: der übrige Theil von St. Martin, St. Eustaz, Saba, Curassao und die daneben liegenden Felseninseln, zusammen 12 Quadrat M. mit 21,000 Ew.; den Dänen: St. Croix, St. Thomas und St. Jean, zusammen 8½ Quadrat M., 50,000 Ew.; den Schweden: St. Barthelemy, 2½ Quadrat M., 1700 Ew.; den Briten: die Bahamas (s. d.), Jamaica (s. d.), eine der großen Antillen, der größte Theil der Jungferninseln, Anguilla, St. Christoph, Newis, Antigua, Montserrat, Dominica, St. Lucia, Barbados, St. Vincent, Grenada mit den Grenadillen, Tabago, Trinidad (s. d.). Unabhängig ist Haiti (s. d.), an Größe die zweite Antille und Venezuela (s. d.) besitzt die früher so perlenreiche Insel Marguarita, 16 Quadrat M., 15,000 Ew.

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Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 10. [o.O.] 1838, S. 425-426.
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