Besiedlung der Küsten Kleinasiens

[392] Die Umwälzung auf dem Festlande hat auch das Meer ergriffen und die hier ansässigen Volksstämme in Bewegung gebracht; dadurch sind die großen Kriegszüge über See nach Libyen und Ägypten hervorgerufen (Bd. II 1, 573). Zugleich ergossen sich die aus dem Festlande verdrängten Völkerschaften in Scharen übers Meer nach der kleinasiatischen Küste; so sind hier die äolischen und ionischen Ansiedlungen entstanden575.

Der Strom der Auswanderung aus dem nördlichen Griechenland richtete sich vorwiegend nach der gegenüberliegenden Küste Kleinasiens. Sein Hauptziel ist Lesbos, die große vielgegliederte Insel, welche dem Südabhang des Ida vorgelagert ist. Lesbos ist von den Griechen vollständig okkupiert worden, so daß höchstens in einigen kleinasiatisch klingenden Orts- und Bergnamen, wie Methymna, Antissa, Eresos, Ordymnos, Lepetymnos, und vielleicht in einzelnen Kulten, wie dem des Dionysos auf dem Vorgebirge Bresa, eine Spur der Urbevölkerung sich erhalten hat. Nicht weniger intensiv ist die gegenüberliegende teuthrantische und lydische Küste mit ihren zahlreichen Buchten besiedelt: auf den Höhen des Küstengebirges entstehen überall geschützte Burgen, wie Pitane, Elaia, Gryneion, Myrina, Kyme, Aigai und Temnos, [392] von hier aus dringen die Griechen in die Mündungsebenen des Kaikos und Hermos und bis an den Südfuß des Sipylos vor. Hier wird Altsmyrna angelegt, welches die Ebene von Burnabat im Winkel des Golfs und den Weg nach Sardes beherrscht. Ein Ortsname wie Neonteichos am Hermos bezeichnet das allmähliche Vorrücken, das jahrhundertelang gedauert haben mag. Ins Innere freilich vermochte man nirgends tief einzudringen; nur Magnesia am Nordfuß der Hauptkette des Sipylos bezeichnet einen weit vorgeschobenen, aber auch völlig isolierten Posten. Auch weiter im Norden, in der thebischen Ebene und auf der Idahalbinsel ist eine Festsetzung zunächst wenigstens nicht gelungen, wenn sie auch vereinzelt versucht sein mag. Nur die Insel Tenedos an der troischen Küste und die Hekatonnesoi am Eingang des Adramyttenischen Golfs wurden okkupiert. Die Bewohner all dieser Gebiete betrachten sich als eines Stammes, sie nennen sich Äoler576.

Wo die Heimat der Äoler zu suchen ist, kann nicht zweifelhaft sein. Ihr Dialekt ist dem Thessalischen und Böotischen aufs nächste verwandt, also wie diese eine Fortbildung des alten nordgriechischen Dialekts577. Der ganze Sagenschatz Thessaliens ist nach Äolis hinübergewandert und in der neuen Heimat weiterentwickelt worden, die Sagen von den Kämpfen der Lapithen und Kentauren, von den Argonauten, von der Meergöttin Thetis und ihrem Gemahl Peleus, dem Eponymos des Pelion, von ihrem Sohne Achilleus; die Namen der Stämme und Ortschaften Thessaliens [aber nicht der später eingedrungenen Thessaler] leben hier in der Erinnerung fort. Der Berggipfel, welcher ganz Lesbos überragt, erhält den Namen Olympos wie der thessalische Göttersitz, am Rande des Hermostals gründet man eine Stadt Larisa, am Fuß des Sipylos bewahrt Magnesia die Erinnerung an den Volksstamm, der an den Abhängen [393] des Pelion sitzt. In Thessalien läßt man den Ahnherrn der Äoler, den Eponymen Äolos578, leben, von ihm stammen die Heldenkönige der Sage ab, Athamas, Pelias, Sisyphos usw. Daneben stehen die Anknüpfungen an Böotien. Der Hafen von Aulis am Euripos gilt als Ausgangspunkt der äolischen Wanderung (Strabo IX 2, 3) wie des Heerzuges gegen Troja (s. Bd. II 1, 299), der Ökist von Lesbos wird Gras genannt, d.i. der Eponymos der Graer am Asopos (Bd. II 1, 265). Daß Äoler und Böoter verwandt seien, lehrte die Sprache; oft genug werden daher die Äoler auch geradezu als ausgewanderte Böoter betrachtet, ja, da nach der Anschauung der Historiker die Böoter selbst ursprünglich in Thessalien gesessen haben sollen, wird der Äolername sogar auf die Urböoter übertragen579.

Auch andere Gebiete Griechenlands mögen an der Besiedlung von Äolis beteiligt gewesen sein; vielleicht weist darauf die Rezeption der aus dem Peloponnes stammenden troischen Sage, des Helena-Mythos, der in Arkadien heimischen Odysseussage, sowie die Anknüpfung der teuthrantischen Stammbäume an arkadische Heroen hin. Von der Vermengung verschiedener Volkselemente ist vielleicht eine Spur darin bewahrt, daß in der lesbischen Stadt Methymna eine Phyle die äolische, eine Tausendschaft die der Phoker, eine andere die der Erythräer [nach der ionischen Stadt?] [394] heißt580. In der Hauptsache aber erkennen wir deutlich einen Strom der Auswanderung, der sich vom nördlichen Griechenland nach den gegenüberliegenden asiatischen Küsten erstreckt. Es ist sehr bezeichnend, daß die Nordküsten des Ägäischen Meeres von ihm nicht berührt sind, weder Thrakien noch die vorliegenden Inseln Lemnos, Imbros, Samothrake. Erst die Geschichtsschreiber, vielleicht erst Ephoros, die sich die Auswanderung nur als einen einmaligen großen Heerzug vorstellen können (vgl. Bd. II 1, 551, 2), haben einen Zug zu Lande durch Thrakien konstruiert. Die Gestalt des Gras gibt dem Ephoros Veranlassung, diesen zuerst nach Troas und an den Granikos zu führen, in scharfem Widerspruch zu der Tatsache, daß es alte äolische Kolonisten in Troas nicht gibt. Weit älter sind die Kombinationen, die darauf beruhen, daß die äolischen Königsgeschlechter ihren Stammbaum an den König von Mykene anknüpften, der Troja eroberte, und die Eponymen ihrer Geschlechter, Penthilos (auf Lesbos), Kleuas und Malaos (auf dem Festland, speziell in Kyme), zu Nachkommen Agamemnons machten. Daher läßt man den Orestes und vermutlich ebenso andere Söhne Agamemnons über das Meer ziehen und die äolischen Kolonien gründen (vgl. Bd. II 1, 551, 2). Die Historiker haben das mit der Ableitung aus Böotien in der Weise verbunden, daß die Söhne oder Enkel Agamemnons zunächst nach Böotien und dann von hier über das Meer wandern – daß die so hergestellte Erzählung innerlich widersinnig ist, kümmerte sie nicht. Auf diesen Kombinationen beruht auch die herkömmliche Chronologie der äolischen Wanderung, deren Beginn kurz vor die Rückkehr der Herakliden in den Peloponnes gesetzt wird. Daran knüpft eine wohl von Hellanikos und Ephoros ausgearbeitete Gründungsgeschichte der Festlandsstädte, in der Kyme als Mutterstadt aller [395] andern erscheint. Schwerlich haben diese Daten irgendwelchen geschichtlichen Wert581.

Den Kämpfen, welche die Äoler mit der einheimischen Bevölkerung zu bestehen hatten, verdankt die aus Thessalien stammende582 Achilleussage ihre weitere Ausbildung. Achilleus wird der Repräsentant der Äoler. Ihm werden vor allem Kämpfe in den Gebieten zugeschrieben, in denen sie sich angesiedelt haben oder festzusetzen suchten. Hierher gehören die Erzählungen vom Raub des Mädchens von Brisa, d.i. Bresa auf Lesbos, von der Bezwingung des Kyknos auf Tenedos583, von der Verwundung und nachherigen Heilung des Telephos von Teuthranien584, einer Sage, in der sich sehr anschaulich das allmählich sich anbahnende freundliche Verhältnis zu der einheimischen Bevölkerung widerspiegelt. Von der Dichtung sind diese Sagen mit dem Troischen Krieg verbunden, Achill und die thessalischen Stämme nehmen teil an der Eroberung Ilions, Agamemnon versammelt seine Flotte in dem böotischen [396] Hafen Aulis, von wo die Ahnen so mancher äolischen Ansiedler über das Meer gezogen sind. Dadurch sind die äolischen Könige dazu geführt worden, ihren Stammbaum an den König der Könige Agamemnon anzuknüpfen (vgl. Bd. II 1, 299). Es ist begreiflich, daß man nun auch die Vorfahren des Agamemnon da heimisch sein ließ, wo ihre Nachkommen herrschten; so ist die nachhomerische Sage entstanden, welche den Pelops auf Lesbos585 oder in Lydien heimisch sein und mit seinen Flügelrossen über das Meer nach dem Peloponnes fahren läßt und ihm den Tantalos, den König des Sipylos, zum Vater gibt (s. Bd. II 1, 250, 1). Daraus haben die Dramatiker und Historiker die unvermeidliche Folgerung gezogen, daß das Königshaus der Atriden barbarischen Ursprungs und seine Herrschaft eine Fremdherrschaft gewesen sei, die in den aus Asien mitgebrachten Schätzen ihre festeste Stütze gehabt habe (Thuk. I 9).

Auch weiter im Süden begegnen uns manche Spuren alter, von Nordgriechendland ausgegangener Siedlungen, namentlich auf den Inseln der karischen Küste. Der Asklepioskult von Kos stammt aus Thessalien, die Besiedlung von Kos und Rhodos wird in den Genealogien auf die verschiedenste Weise an Thessalien angeknüpft, wobei doch wohl verblaßte historische Erinnerungen zugrunde liegen. Auf dem Festlande haben sich die Magneten wie im Hermostal so auch am Mäander angesiedelt586, in Teos ist der Athamanenname (vgl. Bd. II 1, 272.) heimisch wie in Epiros, Thessalien und Böotien587. Weitere böotische Spuren in Ionien werden wir später noch kennenlernen.

Wie aus der nordgriechischen Auswanderung die Ansiedlungen der Äoler, so sind weiter südlich die der Ionier (Iavones Ἰάονες, bei den Orientalen Iawan, vgl. Bd. II 1, 283, 3) durch die Auswanderung [397] der mittelgriechischen Bevölkerung nach den Inseln des Ägäischen Meeres und der mittleren Küste des westlichen Kleinasiens entstanden. Nach der Überlieferung des Altertums, die auch hier einen einheitlichen Zug annimmt, sind sie von Athen ausgegangen588. Die Ableitung aus Athen wird bereits in der Ilias anerkannt – N 685ff. sitzen die Ionier zur Zeit des Troischen Kriegs in Athen –, und Athens Anspruch, die Mutterstadt der Ionier zu sein, ist nie bestritten worden589. Daher gilt Ion, der Stammvater der Ionier, für einen Sohn Apollons und einer attischen Prinzessin und muß in Athen gelebt haben, so schwer es auch war, ihn in der attischen Sagengeschichte, die von ihm nichts wußte, unterzubringen590.

In scharfem Gegensatz zu dieser Tradition steht die Tatsache, daß die ionischen Adelsgeschlechter ihre Ahnen aus allen Teilen Griechenlands herleiten, nur nicht aus Athen und Achaia. Es ist ein ähnliches Verhältnis, wie es uns bei den Äolern entgegentrat. Die Königsgeschlechter werden mit wenig Ausnahmen auf Neleus, den König von Pylos, zurückgeführt591. Seine Nachkommen sind [398] nach der älteren Sage direkt nach Ionien gezogen. So nennt der Kolophonier Mimnermos als Gründer seiner Heimat den Andraimon von Pylos und singt, »wir sind aus dem steilen Pylos, der Stadt des Neleus, zu Schiffen nach Asien gezogen« und haben Kolophon gegründet (Strabo XIV 1, 3. 4). Ähnlich wird man ursprünglich überall erzählt haben. In unserer Überlieferung aber ist die Ableitung der Könige aus Pylos mit der der Ionier aus Athen ausgeglichen: man läßt die Nachkommen des Neleus zunächst bei irgendeiner Gelegenheit aus Pylos verjagt werden und das Königtum in Athen gewinnen. Eine attische Sagengestalt, Kodros592, von dem man erzählte, daß er durch seinen Opfertod das Land – oder eigentlich wohl die Stadtmauer, an der sein Grab lag – gegen feindliche Eroberung gefeit habe, wird zum Neliden gemacht, die Eponymen der ionischen Königshäuser wie des attischen Königsgeschlechtes der Medontiden werden seine Söhne. Zunächst scheint diese Version nur für Milet (Gründer Neleus) und das von ihm abhängige [399] Priene (Gründer Aipytos, Neleus' Sohn) sowie vielleicht in Konkurrenz damit für Ephesos (Gründer Androklos) aufgestellt zu sein – es ist sehr bezeichnend, daß nach Pherekydes die Ökisten von Myus (Kydrelos), Teos (Nauklos) und Erythrä (Knopos)593 Bastarde des Kodros sind. Allmählich werden dann alle Ökisten der ionischen Städte, auch Andraimon von Kolophon, an Kodros angeschlossen594. Die Athener, welche auf die Ausbildung der Sagengeschichte vor dem 5. Jahrhundert gar keinen Einfluß ausübten, haben sich diese Darstellung ebenso oktroyieren lassen, wie die Spartaner die Erzählungen der Dichter vom Ursprung ihrer Königshäuser oder die Römer die Ableitung von Troja.

Neleus (Νηλεύς und Νειλεύς) ist der Eponymos des Herrscherhauses von Milet; daß man alle ionischen Könige auf ihn und durch ihn auf Kodros zurückführte, beruht auf der führenden Stellung Milets in der ionischen Welt. Die Sagengeschichte kennt allerdings zwei Gestalten des Namens Neleus: den Sohn des Kodros, der Milet gründet, und seinen Ahnherrn, den König von Pylos und Sohn des Ioniergottes Poseidon; aber nur durch die Notwendigkeit, den Gründer Milets an Kodros anzuknüpfen, sind sie geschieden, ihre ursprüngliche Identität kann nicht zweifelhaft sein595. Neleus von Pylos hat in die Sagengeschichte Eingang gefunden: einer der vor Troja kämpfenden Helden, der gerenische Nestor, wird sein Sohn596. Je mehr der ionische Einfluß im Epos hervortritt, desto [400] mehr ist von Nestor und seinen zahlreichen Söhnen die Rede. Die Gestalt des greisen Beraters und Schlachtenordners, die wahrscheinlich einen ganz anderen Ursprung hat – soviel wir wissen, ist Nestor kein eponymer Heros –, ist mehr und mehr zum Repräsentanten zwar nicht der Ionier im allgemeinen, wohl aber der Milesier geworden. Daß vor Troja nicht der Ahnherr selbst kämpft, sondern ein Herrscher aus seinem Geschlecht, Νέστωρ Νηλήιος, ist ganz korrekt. Ließe sich nun feststellen, ob Nestor erst durch die Anknüpfung an Neleus zum König von Pylos geworden ist, oder ob er dies bereits in der älteren Sage war und umgekehrt erst durch die Verbindung mit ihm Neleus und die Ionier an Pylos angeknüpft sind, so würden wir auch wissen, ob der Ableitung der milesischen Könige und dann wohl auch der Milesier im allgemeinen aus Pylos irgendeine geschichtliche Erinnerung zugrunde liegt, oder ob sie lediglich Folgerung aus dem Epos ist597. Die erstere Annahme ist vielleicht die wahrscheinlichere; und unmöglich ist es ja durchaus nicht, daß ein Teil der Bevölkerung Ioniens aus dem Westen des Peloponnes ausgewandert ist.

Außer den Pyliern nennt Herodot598 als Bestandteile der Ionier Abanten aus Euböa [auf Chios], Minyer aus Orchomenos [in Teos], Kadmeer aus Theben [in Priene, Teos, Milet599], Dryoper, Phoker [in Phokäa], Molosser, Arkader600, Dorier aus Epidauros [auf Samos]. Diese Angaben beruhen auf der Ableitung der ionischen Adelsgeschlechter von Heroen, die den betreffenden Volksstämmen [401] angehörten, wie z.B. die Theliden in Milet, zu denen Thales gehörte601, kadmeischen Ursprung beanspruchten (vgl. Bd. II 1, 283, 2). In vielen Fällen mögen diese Stammbäume nicht mehr Wert haben als die Anknüpfung der Penthiliden an Agamemnon, der Molosserkönige an Achill oder als mittelalterliche Adelsstammbäume; in anderen Fällen mag ihnen historische Erinnerung zu grunde liegen, wie z.B. das lebhafte Interesse, welches in Ionien für die Sage vom Thebanischen Kriege herrscht (s. Bd. II 1, 256, 1), vielleicht auf böotische Elemente in der Bevölkerung Ioniens hinweist, die, wie es scheint, namentlich auch auf Chios vorhanden waren. Daß sich gelegentlich auch weit spätere Begebenheiten in der Sage reflektieren, ist höchst wahrscheinlich. Eine Kritik der Überlieferung auch nur in dem Umfange, wie sie bei dem Nelidenstammbaum möglich war, ist bei dem Mangel alles Materials ausgeschlossen. Aber wenn Herodot gefolgert hat, daß die kleinasiatischen Ionier eine Mischbevölkerung seien, so hat er recht. Nur ist die Meinung falsch, als gebe es daneben überhaupt »echte Ionier«602. Sowenig die Kolonisten Siziliens desselben Stammes sind, ebensowenig sind es die Ionier und Äoler in Kleinasien. Aber wie jene allmählich zu der Einheit der Sikelioten verschmelzen, so haben sich auch die Kolonisten in Kleinasien zu neuen Einheiten zusammengefunden603. Eine scharfe Grenze zwischen Äolern und Ioniern bestand ursprünglich nicht, wie sie sich denn sogar noch in historischer Zeit verschoben hat; wir haben gesehen, wie nordgriechische, speziell thessalische Elemente uns auch in Ionien und noch weiter südlich entgegentreten. Aber der Hauptsache nach ist die Besiedlung Ioniens offenbar von Mittelgriechenland, von Athen und Euböa, ausgegangen. Daran schließt sich die peloponnesische Ostküste. Auch Kolonisten aus Arkadien und dem Westen und Norden des Peloponnes mögen sich angeschlossen haben; der intensive Herakult auf Samos weist wohl sicher auf argivischen Ursprung. Wie [402] sehr aber Attika im Mittelpunkt steht, lehrt die Tatsache, daß die vier attischen Phylen (vgl. Bd. II 1, 284) in Milet und Teos und wohl auch in den meisten anderen ionischen Städten (so wenigstens teilweise in Ephesos) wiederkehren. Mit demselben Recht, mit dem Thessalien und Böotien als Heimat der Äoler gelten, betrachtet daher die Sage trotz aller abweichenden Genealogien Attika als Ausgangspunkt der ionischen Wanderung. Der Zusammenhang zwischen Attika und Ionien ist auch in der Folgezeit nie völlig unterbrochen worden.

Auch die Besiedlung Ioniens ist das Resultat eines jahrhundertelangen Prozesses. Offenbar ist ihr die der Kykladen vorangegangen, die von der Tradition gleichfalls auf Athen zurückgeführt wird. Diese bilden die Brücke nach den großen Inseln der asiatischen Küste, Ikaria, Chios, Samos; von ihnen aus ist das gegenüberliegende Festland erreicht worden. Auch hier sind es, abgesehen von Magnesia am Mäander (o. S. 397), nur Küstenlandschaften, die von den Griechen besetzt wurden, und noch dazu Gebiete, die von der Natur ziemlich scharf vom Binnenlande getrennt sind: die gebirgige Halbinsel gegenüber von Chios, welche vom Golf von Smyrna und der Mündung des Kayster begrenzt wird und die Städte Klazomenä, Erythrä, Teos, Lebedos, Kolophon, Ephesos enthielt; das Vorgebirge von Mykale und die Mäandermündung mit den Städten Priene und Myus; und im Süden die Halbinsel von Milet. Außerdem gehört im Norden Phokäa, das rings von Äolerstädten umschlossen ist, zu Ionien. In die starke Mischung der Bevölkerungselemente geben auch hier die Phylenordnungen einigen Einblick. Während einzelne Gemeinden, wie Samos, vollständige Neuordnungen vorgenommen haben, sind in anderen, wie Milet, die, vielleicht aus einheimischen Elementen hervorgegangenen, Phylen der Βωρεῖς und Οἴνωπες zu den altionischen hinzugetreten604.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 41965, Bd. 3, S. 392-403.
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